Predigt zum Reformationstag: Gott sagt: „Passt scho´“ (Römer 3, 21-28), 31. Oktober 2004

Römer 3, 21-28 (Übersetzung: Hoffnung für alle)
Jetzt aber ist ohne Gesetz Gottes Gerechtigkeit geoffenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten: 22   Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus für alle, die glauben. Denn es ist kein Unterschied, 23   denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes 24   und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist. 25  Ihn hat Gott dargestellt zu einem Sühneort durch den Glauben an sein Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes; 26   zum Erweis seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, daß er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist.
27   Wo bleibt nun der Ruhm? Er ist ausgeschlossen. Durch was für ein Gesetz? Der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28   Denn wir urteilen, daß ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke.

Liebe Gemeinde,

eine alltägliche Szene – sie könnte sich glatt im Pfarrhaus abspielen:
Es ist abends, der Ehemann sitzt auf dem Sofa, in ein paar Minuten kommen die Nachrichten im Fernsehen. Da schleicht sich die Ehegattin mit den Worten: „Du ich hab´was bei Quelle bestellt … das ist jetzt gekommen“ aus dem Wohnzimmer.
Zwei Minuten später kommt sie wieder: Frisch eingekleidet mit dem Gewand aus dem Versandhaus. Wie ein Model läuft sie vor dem Fernseher auf und ab; dreht sich einmal im Kreis und fragt: „Na, wie gefällt dir?“
Der Herr im Haus blickt seine Frau an – zögert mit der Antwort (grundsätzlich gar kein gutes Zeichen)  – und antwortet ordentlich fränkisch mit einem „passt scho!“

„Passt scho“ – ein Wort, das gerecht spricht

Liebe Gollhöfer,

ist das ein Kompliment? Ich vermute, diese Ehefrau wird sich noch überlegen, ob sie das neue Kleid wieder zurückschickt.  Denn „Passt scho“ ist nicht gerade der Ausdruck höchster Begeisterung. Die Ehefrau hätte sich über einen jubelnden Ehemann sicher mehr gefreut.

Auf der anderen Seite denke ich mir: Der Ausdruck hat seine echten Stärken:
„Passt scho“ sage ich dann, wenn ich einer Sache zustimme, obwohl ich erkenne, dass es nicht 110-prozentig ideal ist. „Passt scho“ ist von daher eine sehr ehrliche und auch sehr gnädige Formulierung.

„Passt scho“ – sagt der Vater zu seinem Sohn, wenn er zum ersten Mal mit einer 5 in Latein heimkommt, weil er einmal vergessen hat, die Vokabeln zu lernen. „Das nächste Mal klappts wieder besser“

„Passt scho“ – sagt die Schwiegertochter zur gebrechlichen Oma am Frühstückstisch, nachdem sie aus Versehen die viertelvolle Kaffetasse umgekippt hat. „Ich weiß doch, dass du es nicht absichtlich gemacht hast!“.

„Passt scho“ – das bedeutet: Du bist nicht perfekt, du machst Fehler; aber du bist mir trotzdem recht; ich nehme dich so, wie du bist, das geht für mich in Ordnung!
…. weil ich dich mag
…. weil wir zusammengehören
….. oder aus sonst einem Grund.

Für diesen „fränkischen“ Vorgang gibt es einen juristisch-biblischen Fachbegriff: Rechtfertigung. Da wird etwas für gerecht, für „in Ordnung“ erklärt, obwohl es Schwächen hat, und eigentlich nicht in Ordnung ist.
Im Predigtext aus dem Römerbrief, den wir vorhin in der Lesung gehört haben, geht es genau darum: Gott rechtfertigt uns; er spricht uns Menschen gerecht – obwohl wir Sünder sind.

Autorität des Gerechtsprechens

Eigentlich ist das ja absurd: Das geht doch gar nicht! Ich kann doch nicht etwas für „in Ordnung“ erklären, obwohl es nicht in Ordnung ist. – Das ist doch irgendwie gemogelt!

Ich sage ihnen: Das geht schon – jedenfalls daheim!
Selbst wenn bei dem Kleid aus dem Quellekatalog die eine Falte nicht ideal elegant fällt, und es bei Versace was viel hübscheres zum Anziehen gibt: Dann sagen wir „des passt scho“ zu uns, sind damit hochzufrieden und der Überzeugung: Das Kleid hier ist das beste, was uns gerade passieren konnte. – Es ist schön! Ohne wenn und aber!  Wir dürfen das für uns so entscheiden!

Und die Familie mit der gebrechlichen Großmutter darf das auch für sich entscheiden: Das geht in Ordnung, dass die Oma dreimal die Woche die Tasse umwirft! Das ist halt so bei uns. Und das ist gut so! Die Oma ist schon in Ordnung.

Und wie ist das bei mir selber? Ich mit meinen Fehlern, meinen Schwächen? Den großen und kleinen Verfehlungen? Wer sagt da zu mir „passt scho“?
Ich merke: Das kann ich mir nicht selber sagen!!
Ich brauche jemanden, der mich anschaut, der über meine Fehler nicht einfach hinwegguckt. Einer, der genau merkt, was da in meinem Leben nicht so passt, und dann dennoch urteilt: „Passt scho“.
Und das kann nur Gott, der Schöpfer, der mir mein Leben gegeben hat.

Der Grund der Rechtfertigung

Warum sollte Gott sich auf so etwas einlassen? Weshalb sollte er jemanden gerecht sprechen, obwohl er ganz und gar nicht gerecht ist? Das entspräche ja einem Freispruch für einen überführten Täter.

Der Apostel Paulus spricht es im Römerbrief aus:
Denn es ist kein Unterschied,  denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist.

Dieser Satz sagt es ganz nüchtern: Wir Menschen haben eigentlich gar keine Chance als Gerechte vor Gott zu stehen. Wir sind Sünder – die einen mehr, die andern weniger – aber alle miteinander haben wir das gleiche Problem: Wir sind nicht perfekt; wir können Gott nicht sagen: Guten morgen, hier stehen die Gerechten vor dir und beantragen, in dein Himmelreich zu kommen.

Und weil das nicht gelingt, gibt Gott uns Menschen die andere Chance: „Umsonst gerechtfertigt werden; aus Gnade“: Das ist das gnädige Urteil Gottes über unserem Leben. Er sagt: „passt scho“, komm herein zu mir, in mein ewiges Reich.
Du bist mir willkommen; ich habe dich gerecht gesprochen. Es passt schon, weil ich es dir sage.

Liebe Gemeinde,

das ist ein unglaubliches Geschenk. Und ich muss nichts dafür tun. Ein Geschenk, ohne irgend eine gute Tat. Die ist da gar nicht notwendig. Ich muss micht nicht durch irgendwelche Leistungen besser machen, als ich bin.
Paulus sagt das ganz energisch: Wo bleibt nun der Ruhm? Er ist ausgeschlossen. Durch was für ein Gesetz? Der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.
Das sind Worte, die uns nicht so eingängig sind. Heute würde er es vielleicht so formulieren:
Was willst du dich vor Gott rühmen, zeigen was du geleistet hast? Diesen Versuch kannst du vergessen. Was meinst du: Nach welcher Logik geht Gott mit uns um? Nach der Logik unserer guten Taten? Nein! Sondern nach der Logik des Glaubens.

Ich möchte noch einmal zu dem Beispiel mit dem gekauften Kleid zurück.
Warum sage ich zu meiner Frau: „das mit dem Kleid passt scho, mach dich da mal nicht verrückt“? Weil mir nicht die Klamotten wichtig sind, sondern die Beziehung, die wir zueinander haben! Und das ist der Schlüssel zur Rechtfertigung von dem, wass eigentlich nicht so super ist: Weil die Beziehung zueinander das Tragende ist.

Und bei Gott gehts um den gleichen Schlüssel: Die Beziehung zu Gott; also der Glaube an Jesus Christus. Nach dieser Logik geht Gott vor – sagt Paulus.
Mein Glaube ist die Basis, die Gott dazu bringt, „passt scho“ zu sagen.

Du Mensch, in deinem Leben ist nicht alles so gut gelaufen; du hast da einige üble Fehler gemacht. Manchmal hast du auch nicht auf mich gehört und bist auf die Nase gefallen. Aber ich sehe, dass du mir vertraust – und das ist mir wichtig. Darum passt das schon.

Luthers Entdeckung

Wir haben heute Reformationstag.
Da denke ich an Martin Luther, der als strenger Mönch vor Gott gut dastehen wollte.
Mit großem Ernst hat er versucht, Gottes Willen ganz genau zu erfüllen. Ohne Rücksicht auf sich selber hat er sich abgemüht; immer wieder. Hat ja quasi das Leben eines Heiligen geführt. – Und doch hat er gemerkt: Das passt nicht – und für Gott kann  es auch nicht passen.
Das hat ihn über Jahre hinweg immer wieder beschäftigt und in Verzweiflung gestürzt. Erst als er lange genug mit diesen und anderen Versen aus dem Römerbrief buchstäblich gerungen hatte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Wir werden ohne eigene Leistung von Gott gerecht gesprochen – allein durch unseren Glauben.

Später schrieb er über diese Entdeckung: „Da hatte ich das Empfinden, ich sei geradezu von neuem geboren und durch geöffnete Tore in das Paradies selbst eingetreten.“

Diese Erkenntnis hat ihn verändert – hat ihm den Mut verliehen, das weiterzusagen, was er erkannt hat … und hat dazu geführt, dass die Kirche sich verändert hat.
Seitdem haben wir zwei Konfessionen – leider -. Aber Gottseidank ist es heute so, dass eigentlich beide Seiten diese Rechtfertigung aus dem Glauben als einzigen Weg zu Gottes „passt scho“ ansehen.

Diese Verse aus der Bibel haben unsere Kirche geprägt. Sie gehören zu den Schlüsselsätzen für unser Selbstverständnis als evangelische Kirche. Ohne sie sähe unsere Kirche wohl ganz anders aus. – Darum passen Reformationstag und Kirchweih eigentlich ganz wunderbar zusammen.

Amen

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