Predigt: Wenn das Licht auch in die finsteren Ecken meines Lebens fällt (Markus 1, 32-39) 22. Oktober 2017

Jesus als derjenige, der „Dämonen“ austreibt. Dieses für neuzeitliches Denken ungewohnte Bild nimmt die Predigt auf und sucht nach unseren eigenen Dämonen und finsteren Ecken.

Predigttext: Mk 1, 32-39
32 Am Abend aber, da die Sonne untergegangen war, brachten sie zu ihm alle Kranken und Besessenen.
33 Und die ganze Stadt war versammelt vor der Tür.
34 Und er heilte viele, die an mancherlei Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus und ließ die Dämonen nicht reden; denn sie kannten ihn.
35 Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort.
36 Und Simon und die bei ihm waren, eilten ihm nach.
37 Und da sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich.
38 Und er sprach zu ihnen: Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Orte, dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.
39 Und er kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus.

Sie kommen aus dem Dunkel

Liebe Gemeinde,
“am Abend aber, da die Sonne untergegangen war, brachten sie zu ihm alle Kranken und Besessenen.” Die Sonne geht unter, da dauert es keine Viertelstunde in Kapernaum, dann ist es stockfinstere Nacht. Keine Laterne erhellt die Straßen. Und dann kommen sie nach und nach durch die Finsternis zu Jesus geschlichen. Zu dem jungen Prediger, der an diesem Tag schon einige Menschen geheilt hatte – sogar die Schwiegermutter des Petrus. Das nährt die Hoffnung: Wenn es sonst keiner schafft, kann vielleicht er uns helfen.
Am hellichten Tag hätten sie es nicht gewagt, zu ihm zu kommen. Das wäre ihnen zu peinlich, zu viel “Aufgeschau” bei den Leuten. Aber jetzt, wo es keiner weiter mitbekommt, da machen sie sich auf: Die Kranken und die Besessenen, die von Dämonen geplagt werden. Also Menschen, die spürten, dass in ihnen etwas nicht stimmte, dass sie anders waren, anders handelten, als man es von ihnen erwartete. Für dieses “etwas” nahm man den Begriff “Dämonen”, und stellte sich da oft Geistwesen vor, die einen Menschen ergriffen hätten. Wenn ich heute von “Dämonen” rede, wäre die Vorstellung von “Hui-buh dem Schlossgespenst” nicht das passende. Es geht wohl eher um die Wahrnehmung, dass sich in unserem Denken und Fühlen manchmal etwas ereignet, was unheimlich ist – für andere oder für mich als Betroffenen selbst. Weil wir nicht verstehen, was einen Menschen da reitet

Ich stelle mir diese Szene damals auch unheimlich vor: Wie sie nacheinander in der Finsternis geschlichen kommen. Die, die ihre Last zu tragen haben. Gerade die mit den Dämonen – also, die von etwas geplagt werden, was in ihnen drin ist, was sie eigentlich nicht haben wollen, was sie aber dennoch beherrscht.

Da scheint die Finsternis da draußen ideal zu passen. Denn die Finsternis ist die Domäne von vielem, was Menschen beherrscht.
– Heimliche Leidenschaften, von denen man froh ist, dass keiner davon etwas mitbekommt.
– Ränkespiele, Mobbing-Gruppen, Netzwerke, Seilschaften die sich nicht in die Karten schauen lassen, und diejenigen, die mitmachen in ein immer komplizierter werdendes zerstörerisches Netz verwickeln – aus dem man irgendwann nicht mehr herauskommt.
– Gefühle und Gemütslagen, die einem Menschen die Freude am Leben rauben. Denen er ausgeliefert ist – und für die er sich verantwortlich fühlt, obwohl es sich das selbst überhaupt nicht selbst ausgesucht hat.

Es gibt so vieles, was uns oft beherrscht, was die Finsternis in sich trägt … wen wundert es, dass dann schließlich fast das ganze Dorf im Dunkel vor Jesu Tür steht. Offenbar gibt es da bei vielen Menschen diese Sehnsucht, frei zu werden, von dem war sie innerlich quält.

Jesu Programm der Freiheit

Liebe Gemeinde,
die Szene, die ich ihnen da beschreibe, finden wir beim Evangelisten Markus im ersten Kapitel. Das ist vorher noch gar nicht viel gewesen: Jesus tauchte auf, wurde von Johannes getauft, scharte Petrus, Andreas, Johannes und Jakobus als Jünger um sich und beginnt in Kapernaum zu predigen. Er macht die Schwiegermutter von Petrus und einige andere gesund, und schon kommt alles in Bewegung.
Jesus ist gerade am Start seiner Lebensaufgabe. Er predigt: “Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ Das ist sein Programm. Das Reich Gottes kommt! Gottes Liebe soll euch beherrschen und diese Welt verändern – nicht die Sorge, nicht die Krankheit, nicht die Dämonen. – Von dem allen sollt ihr frei sein! Und dafür bin ich zu euch gekommen.
Das ist der Grund, weshalb Jesus hier als Heiler aktiv wird: Die Menschen sollen spüren, dass Gott sie frei machen will. Diese Botschaft soll in die Hirne und Herzen.

Jesus vor meiner Türe

Nach dieser Nacht in Kapernaum sagt Jesus zu seinen neu gewonnenen Jüngern: Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Orte, dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. Und er kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus.
Jesus zieht weiter. Und da stelle ich mir vor, dass er auch bei mir vorbeikommt. Und dann fragt er:
“Und, wie sieht es bei dir aus? Gibt es da auch ein paar Dämonen? Du kennst sie doch, die hinteren, dunklen, Ecken in deinem Leben. Wo es dir lieber ist, wenn sie keiner zu Gesicht bekommt. Wo du möchtest, dass auch Gott dir da nicht reinredet oder reinschaut.
Mit manchen deiner Dämonen, die dich einst geplagt haben, hast du dich inzwischen arrangiert – die eine oder andere schlechte Angewohnheit oder Schwäche hat gezeigt, dass sie stärker ist, als du. Also darf sie bleiben.
Ja, und da ist diese abgrundtiefe Verachtung, die du für diesen einen Menschen empfindest. Weil da mal etwas passiert ist, was wirklich schlimm war. Und irgendwie kannst du das nicht hinter dir lassen. Einerseits spürst du, wie dich das belastet, – weil du an dieser Stelle anders bist, als du im Grunde sein möchtest – aber es klebt an dir. So ein ekliger unnachgiebiger Dämon des Hasses.”

Jesus predigt Freiheit!
“Der Herr hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen” (Lk 4,18) so hat er es in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth angekündigt.

Mit diesem Angebot steht er von unserer Türe: Dämonen austreiben.
Aufzuhören, die eigenen inneren finsteren Ecken wie ein Biotop zu pflegen – sondern anfangen auszumisten.
Neu Mut zu fassen für Veränderung – und dabei auf Gottes Hilfe zu hoffen.
Abschied zu nehmen von alten Feindschaften und Feindbildern.
Versöhnung versuchen.
Es wagen, sich von Anderen – vielleicht auch therapeutisch – helfen zu lassen.

Ein bisschen Grau bleibt

Liebe Gemeinde,
von Dorf zu Dorf ist Jesus gezogen. Hat geheilt und gepredigt. Aber er hat beileibe nicht alle Dörfer besuchen können. Nicht jeder wurde gesund, nicht jeder konnte seine Dämonen los werden.
Und das ist heute nicht anders. Nicht alle Lasten können wir mit Gottes Hilfe abschütteln. Nicht jedem ist es vergönnt sich gänzlich von seinen inneren Dämonen, den Lastern und der eigenen Lebensgeschichte frei zu machen.

Das gehört zum Menschsein dazu. Dass wir nicht perfekt sind – es nie sein werden. Und Luther hat gemeint: Das ist auch gut so. Denn sonst hätten wir irgendwann das Gefühl, wir hätten die Vergebung Gottes gar nicht nötig. Und das wäre die größte Fehleinschätzung, der wir als Menschen erliegen könnten. – Wie bleiben immer auf Gottes Vergebung angewiesen,

Aber wir hätten Luther falsch verstanden, denn wir einfach nur sagen “Gott liebt uns, wie wir sind”.
Das ist nur die eine Hälfte.
Er liebt uns, wie wir sind – aber weil er uns liebt und uns nur zu gut kennt, freut er sich, wenn wir uns auf den Weg machen. Wir müssen nicht so bleiben wie wir sind – wir sollen uns verändern, uns befreien lassen. Es zulassen, dass Gottes Licht auch in die dunklen Ecken unseres Lebens scheint.

Amen

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