Predigt: Der Weg beginnt am Dornbusch (Exodus 3, 1-10) 5. Februar 2017

Ikone von Gisela Wichern

Exodus 3

Die Berufung des Mose am Dornbusch. In der altbekannten Erzählung finden sich spannende Fragen und Motive: Die kindliche Neugier des Mose. Die Frage, wie ich mit meinen biographischen Dornbüschen umgehe. Die Entdeckung eines Gottes, der die sieht, die hinter einer Dunkelziffer versteckt sind.
(Ikone: Giesela Wichern)

Predigttext: Gen 3, 1-10
1 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb.
2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.
3 Da sprach er: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.
4 Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
5 Er sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!
6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.
8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.
9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen,
10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.
Liebe Gemeinde,
eine der wichtigsten Begegnungen der gesamten Bibel ist hier beschrieben. Am brennenden Dornbusch beginnt die Geschichte des Auszugs Israel aus Ägypten, die Befreiung aus der Unterdrückung. Die Israeliten machen sich auf, ein Volk zu werden; mit eigenem Land und in Freiheit.

Der brennende Busch

Und alles beginnt an diesem einen brennenden Dornbusch! Und ich frage mich, was gewesen wäre , wenn Mose diesen Busch einfach ignoriert hätte!

Wie viele Büsche werden wohl in der trockenen Hitze der Wüste Midians pro Woche in Flammen aufgegangen sein? Ein Dutzend?
Ein brennender Dornbusch – wen interessiert´s?
Hingehen und anschauen? Reine Zeitverschwendung, da hat man Wichtigeres zu tun.
Wer macht das schon? Näher zu kommen, um es sich genauer anzuschauen? Fasziniert betrachten, wie die Flammen flackern Lauschen wie das Feuer knistert? Das machen doch höchstens Kinder!

Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder … dann werdet ihr es nicht erkennen … dann bleibt ihr blind für das, was da geschieht. Dann rennt ihr vorbei an dem, was euer Leben verändern kann.
Mose, schaut genau hin, beobachtet, dass da etwas anders ist als sonst. Spürt, dass da mehr dahinter stecken muss, als das, was man auf dem ersten Blick sieht.
Und so kommt es zu dieser Begegnung von Gott und Mose.
Gott spricht mit einem Menschen. Lässt ihn erkennen, was er mit ihm vorhat. Gibt seinem Leben einen Auftrag, eine Vision. Und das verändert alles. Nichts ist mehr so, wie vorher. Aus dem Hirten mit Vorstrafe wird einer, der das Schicksal eines Volkes verändert.

Wie oft ich wohl schon an solchen brennenden Dornbüschen vorbeigerannt bin? Die Gelegenheit verpasst habe, mir von Gott etwas sagen zu lassen? Weil ich es zu eilig hatte, zu beschäftigt war, um die leisen Signale Gottes wahrzunehmen?
Zu erwachsen, um mich faszinieren zu lassen. Zu schlau, um mich von den Spuren Gottes beeindrucken zu lassen – denn schließlich kann man ja alles erklären.

Etwas wahrnehmen, stutzen, sich zu fragen was das soll? Wie Mose, den Hirtenstab wegzulegen, die Schuhe auszuziehen, hinzugehen und zu überlegen, ob da etwas ist, was mit etwas sagen kann und will.

Büsche brennen in Wilhelmsdorf/Brunn eher selten.
Aber manche Situation könnte mein Dornbusch sein. Ein Gedanke der sich nicht so leicht verscheuchen lässt. Ein Gefühl. Ein Traum. Manchmal nur ein Satz eines anderen Menschen.
Weitergegangen ist man da viel zu schnell.

Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder … dann werdet ihr es nicht erkennen. Wenn ich mir wie Mose Zeit nehme, habe ich die Chance, darin die Stimme Gottes zu hören, einen Impuls für mein Leben. Oder ich erkenne: Es war doch nur einer von den vielen brennenden Büschen, die einfach da sind, aber mir nichts weiter sagen wollen.

Ich habe das Elend gesehen

Liebe Gemeinde,
“Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt” – so beginnt Gottes Rede zu Mose, in der er ihm seinen Plan zu Befreiung des Volkes eröffnet.
Zur gleichen Zeit sitzen die Kinder Israels in Ägypten und verzweifeln, weil Gott sie offenbar nicht hört und nicht sieht. Denn es passiert ja nichts. Gott muss uns vergessen haben.

Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen. – sagt Gott.
Ich habe das Elend der Erwachsenen und Kinder in Afrika, in Syrien und Bangladesch gesehen.
Ich habe das Elend der Kinder in Deutschland gesehen. Die gesellschaftlich abgehängten ohne Chance, und die von Eltern hinter einer bürgerlichen Fassade misshandelten.
Ich habe dein stilles Leiden gesehen, das du in dich immer neu hineinfrisst.
Ich habe die Wahrheit gesehen, die hinter politischer Propaganda oder gesellschaftlicher Übereinkunft und Correctness versteckt wird.

Die, die wir die Vergessenen nennen, die man ausblendet, weil man es lieber gar nicht so genau wissen will, was da alles passiert. Die, die hinter dem Wort “Dunkelziffer” versteckt sind – sie haben einen Gott der sie sieht. Einen Gott den das alles nicht kalt lässt.

Eine Lehre, die ich aus den Missbrauchsfällen in kirchlichen Internaten und Schulen gezogen habe, ist: Wie wichtig es für die Betroffenen war, endlich wahrgenommen zu werden. Nicht versteckt oder mit einem Schweigegeld ruhiggestellt. Anerkennen und aussprechen, dass hier Furchtbares geschehen ist. Kleinreden ist genau das Gegenteil von dem, was sie brauchen.

“Ich habe dein Elend gesehen” – da möchte ich ein bisschen von Gott lernen. Wenn mir einer sein Leid klagt, dann will er nicht, dass ich es kleinrede und mit verharmlosenden Worten zudecke. Denn zudecken kann er selber auch. Aber das Schlimme, den Schmerz sehen, wahrnehmen, mitempfinden ernstnehmen – auch aushalten, dass man da eben grade keine passenden Worte hat.
So steckt im Sehen und Mit-Leiden viel Hilfe für den, der Schweres zu tragen hat.

Der lange Weg nach Kanaan

“So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.” Mit diesem Worten gibt Gott dem Mose diesen großen Auftrag zur Befreiung seines Volkes. Es bleibt nicht beim Sehen des Elends. Gott will das Schicksal der Israeliten wenden. Und es beginnt diese große Erzählung von Auszug aus Ägypten, der Wüstenwanderung und des Niederlassens im verheißenen Land.

Die Geschichte dieses Volkes erscheint mir exemplarisch für viele unserer Wege mit Gott: Es beginnt mit einem Paukenschlag: nach den 10 Plagen sind die Israeliten frei, verlassen das Land, alles erscheint perfekt und in trockenen Tüchern. Und schon bald kommen stehen sie am Schilfmeer buchstäblich in der Sackgasse. Dass ist nicht das einzige Mal, in dem Gott dieser Mannschaft durch ein Wunder weiterhelfen muss.
Sie erleben Strecken, wo es erfolgreich vorwärts geht, und es gibt Krisen, wo sie sich fragen, ob das alles denn richtig war. Sie zweifeln, verzweifeln und wollen am liebsten wieder zurück nach Ägypten, weil alles scheinbar immer schlimmer statt besser wird.
Ein langer Weg mit Auf und Ab – 40 Jahre lang. Dann erst sind sie am Ziel und können das Land in Besitz nehmen. Und letztlich müssen sie lernen: Das Leben bleibt immer eine Aufgabe, es gibt auch im verheißenen Land immer wieder neue Herausforderungen.
Unser Leben ist immer ein Weg. Wirklich ankommen werden wir erst nach unserem letzten Atemzug. Bis dahin geht es darum, seinen Weg als Gottes Kind zurückzulegen.

Als Kind … das sich ohne Scheu vieles sehr genau ansieht. Das die Spuren Gottes im eigenen Leben sucht und an keinem brennenden Dornbusch vorbeigeht, ohne genau hin zu schauen.
Als Kind … das weiß, dass sein himmlischer Vater offene Augen und Ohren hat. Der seinen Kummer sieht, und seine stillen Gebete hört.
Als Kind … das seinen persönlichen Auszug aus Ägypten so bewältigt, wie es Kinder eben tun: Sie gehen die richtigen Wege, und verirren sich manchmal, sie fallen hin, und stehen wieder auf – aber sie wissen: Ich will nach vorne zum Papa, weil vorne ist es besser als hinten.

Amen

Liedtipps:
Vor der Predigt: Gott sagt uns immer wieder
nach der Predigt: Jesu geh voran

Bildnachweis: Die wunderschöne Ikone ist von Gisela Wichern gemalt. Sie finden mehr über die Künstlerin unter http://www.fenster-zum-himmel.de/index.php.
Herzlichen Dank für die Zustimmung zur Veröffentlichung auf pastors-home.de

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Ein Kommentar

  1. Sehr geehrter Pfarrer Seidel,

    Ich habe für meine alten Damen im Frauenkreis Inspiration zu 2.Mose 3 gesucht und bin auf ihre Predigt gestoßen. Ihre Predigt hat mich doch sehr berührt und mir Mose in neuer Weise näher gebracht. Er hat sich neugierig auf den Weg gemacht und sich auf Gottes Sicht eingelassen, auch wenn ihm für manche Aufgaben der Mut noch gefehlt hat. Davon will ich mir ein Stück abschneiden und mitnehmen.
    Ihnen Gottes Segen und ein klares Wort Gottes für Ihre Gemeinde
    Ihre
    Andrea Mößner aus Ihringen am Kaiserstuhl/ Südbaden

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