Radioandachten auf Charivari 98,6 im November 2016 (Reihe über Redensarten)

Montag: Ein offenes Ohr haben

 Guten Morgen

Warum sagen wir manchmal, dass jemand “ein offenes Ohr” für eine Angelegenheit hat? Denn eigentlich sind die menschlichen Ohren immer offen. Wir können sie nicht verschließen. Mund und Augen kann ich zuklappen – die Ohren haben da nichts.
Das Problem ist ja eher, dass Dinge von einem Ohr hinein und zum anderen wieder hinausgehen. Ein Wissenschaftler will festgestellt haben, dass wir Männer beim Zeitung lesen zwar die Stimme unserer Partnerin hören – gegenenfalls nicken oder “ja” sagen, aber letztlich nichts von dem mitbekommen, was sie eigentlich erzählt hat.
Sehr ärgerlich ist das dann, wenn die Frau ihrem Mann die Planung des kommenden Tages erklärt, und weil kein Widerspruch kommt, glaubt sie, ihr Mann wäre einverstanden – in Wirklichkeit aber hat er keinen blassen Schimmer, was da auf ihn zukommt.
Ein offenes Ohr füreinander haben, das heißt: Wirklich hinhören und hinsehen!
Nicht nebenher Whatsapp lesen oder auf den Fernseher starren.
Stattdessen die Wünsche und Gefühle des Anderen wahrnehmen.
Die Zwischentöne heraushören.
An den Augen ablesen, wie die Worte gemeint sind, die ich gerade höre.
Haben sie also bitte nicht nur offene Ohren, sondern auch offene Augen füreinander.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

Dienstag: Etwas an die große Glocke hängen

Guten Morgen
Wenn wir etwas an die große Glocke hängen, dann wollen wir, dass es jeder erfährt. Zu Zeiten, als man ohne Radio, Fernsehn und Internet aukommen musste, da hat man die große Kirchenglocke geläutet, um die Leute darauf aufmerksam zumachen, was man etwas mitzuteilen hat. Aber auch heute sind unsere Kirchenglocken nicht sprachlos geworden. Seit neun Tagen ist da etwas anders als sonst: In vielen Ortschaften läuten die Glocken abends extra zehn Minuten lang. Friedensdekade nennt man diese zehn Tage im November,in der unsere Kirchen in besonderer Weise versuchen, den Frieden zum Thema zu machen. Den Frieden in der weiteren Welt, und auch den Frieden daheim.

Und das Thema haben unsere Kirchen sogar buchstäblich an die große Glocke gehängt: Vielleicht achten Sie ja heute Abend einmal darauf. Hören zu, wenn die Glocken uns daran erinnern, wie wertvoll es ist, Frieden zu haben, und und mahnen, diesen Frieden nicht aufs Spiel zu setzen.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

Mittwoch: Alle Tassen im Schrank

 Guten Morgen!
Haben sie sich auch macnhmal überlegt, ob Sie noch alle Tassen im Schrank haben? Also in der Küche …. Da geht ja öfter mal etwas kaputt, man verleiht etwas und kriegts nicht zurück, oder der Freund hat eine Tasse halbvoll im Bastelkeller stehen lassen, und da schimmelt sie nun vergessen vor sich hin. Da ist es schon gut, wenn man hie und da mal nachschaut, ob noch alle Tassen im Schrank sind – ob noch alles passt.

Wenn sie schon am nachsehen sind: Dann könnten sie man ja auch nachschauen, ob noch alles richtig sortiert ist in Schrank, in der Küche… und im Leben. Da wird im eigenen Leben ja auch so oft was verändert, Ziele kommen einem abhanden, Hoffnungen zerbrechen, Beziehungen kriegen einen Knacks. Dann muss man plötzlich umdisponieren, weil alles ganz anders kommt, als gedacht. Und dann sieht nach einiger Zeit der Tassenschrank meines Lebens ganz anders aus – ich weiß gar nicht, ob das noch meiner ist, oder ob ich da mal was ändern muss.

Der Buß- und Bettag heute ist eigentlich genau dafür gemacht: Ein Tag, um mal bei sich selber nachzusehen, ob im Leben noch alles an der richtigen Stelle ist. Oder ob sie vielleicht endlich mal etwas umräumen wollen.
Eine guten Tag wünsche ich Ihnen

Donnerstag: Ein Mann wie ein Baum

Guten Morgen
“Ein Mann wie ein Baum“ – kennen sie auch solche Menschen?
Ein bisschen ist es vielleicht tatsächlich die Statur: Groß und breit. Aber viel wichtiger ist, dass er sich so schnell erschüttern lässt. Er strahlt Ruhe und Souveränität aus; in seiner Nähe fühle ich mich wohl… sogar ein bisschen geborgen. Und ich vermute viel Kraft bei ihm, obwohl er nicht der Typ ist, der zuschlägt.
Manchmal wäre ich auch gerne ein bisschen wie so ein Baum.
Will mich nicht von jedem Sturm verrückt machen lasssen. Ruhe bewahren. Und auch in Krisenzeiten aufrecht stehen, nicht den Halt zu verlieren, und vielleicht auch anderen Geborgenheit vermitteln.

Ich denke, es hängt viel davon ab, wo ich als menschlicher Baum meine Wurzeln hineingraben kann. Der Prophet Jeremia hat einmal so formuliert:
Gesegnet ist der Mann, der sich auf Gott verlässt. Der ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bach hin streckt. Denn obgleich die Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine Blätter bleiben grün; und er sorgt sich nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, sondern bringt ohne Aufhören Früchte.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

Freitag: Etwas auf dem Kerbholz haben

 Guten Morgen
Es gibt ja die schöne alte Redensart, dass einer “mächtig was auf dem Kerbholz hat”. Damit meinen wir: da hat sich jemand etwas zu Schulden kommen lassen.
Das Kerbholz gab es tatsächlich: Zu einer Zeit, in der der Wirt im Gasthaus für jeden seiner Stammgäste ein Holz hatte. In das ritzte er entsprechend der Schulden seiner Kunden kleine Kerben hinein. Je mehr Schulden man beim Wirt hatte, umso mehr hatte man also auf dem Kerbholz.
Wie wäre das, wenn Gott im Himmel auch so Kerbhölzer für uns Menschen hätte? Wenn mit jedem Fehler, den ich begehe, Gott eine Kerbe in mein Kerbholz schlagen würde … und irgendwann müsste ich dafür bezahlen.
Als Christ bin ich heilfroh, dass Gott beschlossen hat, anders mit unseren Fehlern umzugehen. Das hat zwar mit Holz zu tun – zwei Balken, aufgestellt vor fast 2000 Jahren an Ortsrand von Jerusalem – da hing Jesus dran.
Das war sein Zeichen: Weil er uns liebt, gibt es keine Kerbhölzer, sondern einen himmlischen Vater, der bereit ist, zu vergeben.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

Samstag: Wo gehobelt wird, fallen Späne

Wo gehobelt wird, fallen Späne. Ein alter Spruch zu einer noch älteren Praxis – Wenn zum Beispiel in der Schule ohne großes Federlesen der nächstbeste Verdächtige bestraft wurde, weil nach der Pause eine Lehrerkarikatur an die Tafel gemalt war.

Es gibt Leute, die besuche ich als Pfarrer zum 75. oder 80. Geburtstag … und irgendwann erzählen sie mir so eine Geschichte. Wo es sie unschuldig erwischt hat … und auch nach über einem halben Jahrhundert spürt man noch, wie sie das damals verletzt hat. Sie wissen nicht mehr viel über die Schulzeit, aber das hat sich tief in die Erinnerung eingebrannt. Ob der Lehrer damals geglaubt hätte, dass diese ungerechen Schläge das einzige sein werden, an das sich dieser Schüler noch nach Jahrzehnten erinnern wird?

“Wo gehobelt wird, fallen Späne” – mit diesem netten Satz versuchen wir es auch heute ganz gerne, zu beschönigen, dass wir es mit der Gerechtigkeit nicht so ganz genau nehmen. Weils eben sonst viel zu aufwendig wäre, in der Schule, auf der Arbeit oder in der Familie.  Wir können es uns schönreden, aber wir dürfen nicht übersehen: Die, die wir ungerecht behandeln, werden es vielleicht ihr Leben lang nicht vergessen. Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

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