Radioandachten im Oktober 2016 auf Charivari 98,6

Montag: Nachbarschaft

Guten Morgen,
manchmal finde ich in meiner Bibel Sprichwörter, bei denen ich länger überlegen muss, was sie mir sagen wollen. Zum Beispiel das hier: „Ein Nachbar in der Nähe ist besser als ein Bruder in der Ferne“ (Spr 27,10).
Anscheinend gab es schon zu in den biblischen Zeiten diese diffuse Angst, den Nachbarn um Hilfe zu bitten.
Man will ja nicht stören, sich vom Nachbarn nichts ausleihen und dadurch ihm etwas schuldig sein. Man weiß ja auch nicht, wie er wirklich tickt. Und so bleibt jeder für sich, vertraut auf die Verwandtschaft und Freunde, die man schon ewig kennt.
Schade – als Pfarrer habe ich schon oft miterleben dürfen, wie Nachbarn in schwierigen Zeiten die Rettung waren. Da ist eine junge Mutter einer Familie schwer krank, für Monate in der Klinik. Und die Nachbarn wechseln sich beim Kochen und bei der Hausaufgabenhilfe ab. Machen Ausflüge mit den Kindern, trösten abends den verzweifelten Vater.
Gute Nachbarschaft, die solch ein Netz entstehen lässt, ist nicht selbstverständlich – aber man kann versuchen, an diesem Netz mitzuknüpfen. Dazu muss man aufeinander zugehen, sich manchmal einen Schubs geben, um diese angeborene Schüchternheit und Skepsis überwinden, die es offenbar schon zu biblischen Zeiten gab.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

Dienstag: Ordnung?

Guten Morgen,
manchmal besuche ich Menschen, die haben eine Wohnung, wie im Möbelhaus: Alles ist perfekt aufgeräumt, da liegt nichts rum. Keine drei Zeitungen auf dem Tisch, kein Wäschestapel in der Ecke, kein Kinderspielzeug über das man stolpern könnte. Wie perfekt geschleckt.
Da fühle ich mich manchmal fast schon als schlechter Mensch, wenn ich an mein Wohnzimmer, denke, wie es da aussieht – und in den anderen Räumen ist noch weniger Ordnung.
Dann schaue ich in meine Bibel und suche, was da Jesus über die Ordnung im Haus gesagt hat: Nämlich nichts! Das ist ihm nicht wichtig!
Stattdessen sagt er viel zum Thema Liebe: Liebe zu Gott und zu den anderen Menschen. Da geht es interessanterweise auch oft ums Aufräumen:
Streitigkeiten weglegen:
Eine offene Türe für Jemanden haben.
Freundliche Worte für Gäste bereitlegen.
Aus dem eigenen Herzen Gedanken von Neid und Wut herausfegen.
Da hat man beim Aufräumen und Schmücken in sich selber ganz schön tun. Darum ist für das Wohnzimmer daheim oft keine Zeit und Kraft mehr. Aber ehrlich gesagt: Wenn ich in mir Frieden mit mir selber, mit Gott und den anderen Menschen habe, dann ist mir der ungebügelte Wäschestapel neben dem Sofa auch egal.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

Mittwoch: Nussknacker

Guten Morgen
Herbst ist die Zeit zum Nüsseknacken. Ober besser gesagt: Zeit für den Versuch, Nüsse zu knacken. Denn oft genug geht das schief, weil sich bei den meisten Nussknackern die Kraft nur ganz schwer dosieren lässt.
Also drücke ich immer fester und noch ein bisschen, und dann krachts, die Schale zerbricht …. aber es war doch zu viel und der Nussknacker zermalmt den zarten Kern zu Brei. Schade drum!
Da merke ich: Nüsse sind da uns Menschen recht ähnlich. Bei uns gibts ja auch immer wieder Expemplare, die eine harte Schale, und diesen sprichwörtlichen weichen Kern haben.
Bei diesen ruppigen Zeitgenossen bin ich auch oft in der Versuchung, ein bisschen kräftiger hinzulangen. Denn so, wie sich sich meist geben, verlangen sie ja förmlich danach, dass man sie ein bisschen … spezieller anpackt.
Aber da täuscht man sich schnell: Die sind oft viel sensibler, als man denkt: In nullkommanichts sind sie verletzt, geränkt und eingeschnappt. Da geht dann viel empfindliches kaputt.
Da merke ich immer wieder. Die narten Nüsse (die am Baum, und die auf zwei Beinen), die erfordern immer ein besonders vorsichtiges Händchen.
Einen guten und feinfühligen Tag wünsche ich Ihnen

Donnerstag: Weltstatistiktag

Guten Morgen
Heute ist der Weltstatistiktag. Damit wollen die Vereinten Nationen auf die Bedeutung von genauen Statistiken für die Arbeit der Regierungen hinweisen, die ja wissen wüssen was im Land los ist und was verbessert werden muss.
Das leuchtet mir durchaus ein. Auf der anderen Seite spüre ich, was Statistiken und Umfragewerte mit mir machen. Wenn ich lese, wie oft der Durschnittsbürger pro Woche duscht, wieviel Bier er trinkt, wieviel Kinder er hat und wie oft er fremd geht – da stelle ich fest: Ich da ganz anders – und so ganz leise nagt in mir die Frage, ob ich denn wirklich so ein Exot bin. Bin ich etwa nicht normal? Muss ich da jetzt bei mir etwas ändern?
Nein! Ich bin, wie ich bin, schließlich bin ich der Überzeugung, dass Gott mich genau so gemacht hat. Und die Anderen? Ja, die hat er auch gemacht, jeden ganz individuell alle 80 Millionen hier im Land. Und die Statistik ist halt nur eine Zahl, für Politiker zum Planen – keine, nach der ich mich richten brauche. Denn ein Durchschnittsmensch will wirklich keiner sein.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

Freitag: Mücken und Kamele

Guten Morgen,
in Belgien gibt es eine Redensart aus der Bibel, die wir in Deutschland gar nicht kennen. Da betitelt man jemanden gerne als “Mücken-Aussieber”, wenn er allzu kleinlich ist. Denn Jesus sagte Jesus einmal zu den Pharisäern: Ihr siebt die Mücken aus, aber die Kamele schluckt ihr runter (Matthäus 23,24).
Auch wenn es das Sprichwort bei uns nicht gibt, kenne ich die Sache, um die es geht, nur zu gut: Wenn ich mich mal wieder über so Kleinigkeiten aufrege. Jaja, es sind Kleinigkeiten! Aber die gehen mir halt auf die Nerven, und da kann ich die Klappe nicht halten. – Das sind die Mücken.
Die Kamele, die großen Probleme, die grundsätzlichen Fehler im System, da bin ich viel großzügiger; vielleicht auch, weil ich mich da häufiger überfordert fühle und glaube, sowieso nichts machen zu können.
Kann es sein, dass es die Kamele sind, die die Mücken erst anlocken? Vielleicht müsste ich doch den Mut haben, manches grundsätzlicher anzugehen und erst das Kamel aus meinem Zimmer zu verscheuchen, bevor ich versuche, die ganzen Mücken zu erschlagen? Denn solange das Kamel noch da ist, wird so Manches nicht besser werden.
Ich wünsche ihnen einen guten Tag, und viel Erfolg als Kamel-Vertreiber

Samstag – Unser Rouladenteam

Guten Morgen,
in manchen Firmen gibt es Teams, die sind wie eine Rinderroulade. Denn da sind auch alle möglichen Zutaten zusammengepfercht, die freier Wildbahn niemals zusammenfinden würden: Rindfleisch, Senf, Gurken, Speck, Karotten… – Und eigentlich halten sie bloß zusammen, weil da jemand mit einem Faden oder einer Rouladennadel das Ganze schön fest zusammengepackt hat. Sonst würde da bald jeder seinen eigenen Weg gehen.

Rouladen sind echt etwas total Leckeres. Weil jede Zutat eben anders ist. Jeder bringt seine individuelle Prägung ein. Die schmecken nie langweilig. Wenn Sie in so einem Rouladenteam arbeiten, dann ist das nicht unbedingt komfortabel. Aber Sie können in der Sache streiten, ohne die Angst, zu haben, die Kuschelatmosphäre zu gefährden.
Rouladenteams brauchen kein gemeinsames Bier am Abend: – Aber sie brauchen dringend gegenseitigen Respekt. Denn genau der ist Ihre Rouladennadel, die Sie davor bewahrt, dass Ihnen das alles auseinanderfliegt. Also, auch wenn es hoch her geht: Lassen Sie die Anderen spüren, sie die Anderen respektieren und umgekehrt auch respektiert werden wollen.
Einen guten Tag wünsche ich Ihnen

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