Predigt zur Jahreslosung 2016: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet – Viel mehr als nur „heile heile Segen“ (Jesaja 66,13) 1. Januar 2016, Neujahr

Die jlosung2016Jahreslosung ruft Erinnerungen an unsere Kindheit mit den Tröstungen über unsere kleinen Wehwehchen wach. Der Kontext des Verses in Jesaja 66 blickt aber auch auf eine sehr kraftvolle und lebensspendende Seite dieses Gottes, der wie eine Mutter ist.

Predigttext: Jes 66, 10-14
10 Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.
11 Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an dem Reichtum ihrer Mutterbrust.
12 Denn so spricht der HERR: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ihre Kinder sollen auf dem Arme getragen werden, und auf den Knien wird man sie liebkosen.
13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.
14 Ihr werdet’s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des HERRN an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.

Liebe Gemeinde,
was Sie gehört haben, war die Rede des Propheten Jesaja, der eine neue gute Zeit für die Stadt Jerusalem ankündigt. Und in diesen Zeilen finden wir die Jahreslosung für das beginnender Jahr 2016: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“

Unsere Erfahrungen mit der tröstenden Mama

Diese Jahreslosung enthält ein wirklich starkes Bild und ruft Erinnerungen an die eigene Kindheit wach. Wie das war, als man von seiner Mutter getröstet wurde. Irgendwann ist wohl fast jeder einmal mit einem aufgeschrammten Knie heulend zur Mama gerannt, wurde erst mal in den Arm genommen, einfach liebgehabt. Dann wurde die Verletzung begutachtet: „Schau mal das ist doch gar nicht so schlimm. Komm, ich hole ein Pflaster, dann wird das wieder gut.“

Erstaunlich, wie einfach und effizient wir da getröstet wurden. Wie eine Mutter es im Gespür hat, dass jetzt nicht zuallererst die Jodtinktur oder die Arnica-Kügelchen notwendig sind, sondern dass ich jemanden brauche, der mich in den Arm nimmt und tröstet. Der mein furchterregendes Geheule aushält, der abwartet, bis das ungebremste Weinen in ein Schluchzen übergeht und dann den Moment erahnt, wann es Zeit ist, einen Blick auf die eigentliche Verletzung zu werfen und diese mit einem Pflaster zu versorgen.

Wenn Mütter nicht mit aufgeschürften Knien, sondern verletzten oder verängstigenden Seelen, angeschlagenem Selbstbewusstsein oder verwirrten Teenager-Egos zu tun haben, habe ich oft eine ähnliche Haltung erlebt:

Erst einmal ein den Arm nehmen. Buchstäblich oder mit Worten. Den Jammer, die Wut, die Angst wahrnehmen und dann schauen, was nötig ist, um weiterzuhelfen, zu stabilisieren, zu beruhigen – das heißt: zu trösten.

Manchmal war ich überrascht über die scheinbare Naivität, mit der meine Mutter meinen Jammer weggepustet hat, als ich als Jugendlicher immer wieder mal die Krise hatte, weil ich mich überfordert gefühlt habe. „Du schaffst das schon. Ich bete für dich“ – das war damals nicht mehr so ganz das, was ich aus meiner Kindheit kannte. Ich hätte es lieber knuddeliger gehabt. Aber im Nachhinein musste ich erkennen: Sie hatte ja recht – ich habe es locker geschafft – und inwieweit das meine Leistung oder das  Ergebnis vom Mamas Gebet war … das wird Gottes Geheimnis bleiben.

Gott als tröstende Mama

„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ – die Jahreslosung 2016 ruft alle diese Erinnerungen wach. Ich entdecke, wie ich mich auch von Gott getröstet fühle, wie auch er diese Rolle der tröstenden Mama in meinem Leben spielt.
Ein Gott, zu dem ich stürmen kann, wenn alles nur noch schlimm und schrecklich ist. Ein Gott zum buchstäblichen Ausheulen. Einer, dem ich meine Angst, Verzweiflung oder Wut erzählen kann. Wie gut, dass wir im Gebet so offen mit Gott reden dürfen.
Und viele Menschen können davon berichten, wie aus diesem vertrauten Gespräch mit Gott eine Atmosphäre der Geborgenheit entsteht. Mein persönliches Gebet als Ort, an dem ich Gottes Nähe spüre, geborgen und getröstet bin.

Und so manches Gebet endet dann auch mit einen Gefühl, das diesem „das schaffst du schon“ meiner Jugendzeit ähnelt. Dass ich mit mehr Selbstbewusstsein aus dem Gebet herausgehe als ich hineingegangen bin. – Nunja, ich habe ja auch mit meinem Schöpfer geredet, der mich besser kennt, als ich mich selber.

Mutti nur für die Kleinigkeiten?

Liebe Gemeinde,
Soweit dieses Bild unseres Gottes, der wie eine Mutter tröstet. Ein sehr zärtliches Bild von Gott. Fürsorglich, sehr weiblich – Mutter eben.

Aber irgendwie spüre ich auch, dass dieser eine Satz leicht missverstanden werden kann. Vielleicht gerade von uns Männern, die dieses Mutter-Trostpflaster als das probate Mittel für die kleinen Wehwehchen ansehen. Für die harmlosen Probleme, für die inneren Befindlichkeiten. Aber wenn es ernst wird – wenn der Blinddarm raus muss, wenns brennt, wenn die echten Probleme und Krisen kommen, dann müssen die Fachleute ran – die in meinem Kopf komischerweise oft Männer sind.

Ja, so ist das: Wenn man sich so eine schöne Jahreslosung als einzelnen Vers herauspickt, dann kommt so etwas „harmloses“ dabei heraus. Aber wir haben vorhin ja den gesamten Abschnitt aus dem Prophetenbuch Jesajas gehört. Da ging es nicht um ein paar kleine Wehwehchen, sondern um echte
Probleme.
Die Stadt Jerusalem war auch nach 80 Jahren noch ein Trümmerfeld. Die Zerstörungen der Eroberung durch die Babylonier waren noch zu sehen. Und nun kamen die Nachkommen der einst verschleppten Bewohner Jerusalems in die alte Heimat zurück. Da gab es Elend und Spannungen. Die Rückkehrer, die im Ausland geboren worden waren, hofften auch eine Zukunft in der Heimat ihrer Eltern und Großeltern – kamen mit großen Erwartungen. Und da trafen sie auf Bewohner, die sie recht kühl empfingen, die sich um ihren Besitzstand sorgten: Die kommen da mit nichts, und setzen sich hierhin und erwarten, dass wir ihnen helfen? Wir sind doch selber im alltäglichen Kampf ums tägliche Brot!
Sozialer Sprengstoff!

Hoffnung, an der alles hängt!

Und in diese Situation der Unsicherheit, der Verzweiflung und der gegenseitigen Feindseligkeit hinein kommt die Verheißung Gottes, die Jesaja weitersagt:
Freut euch über eure Stadt! Seid, froh, dass ihr sie habt!
Sie wird euch ernähren wie eine Mutter.
Durch ihre Straßen wird Gerechtigkeit fließen, wie ein breiter Strom; und der Wohlstand wird kommen wie ein über die Ufer tretender Bach.
Euer Herz wird froh werden und eure müden Knochen werden neue Kraft bekommen.
Ihr als Kinder dieser Stadt werdet wie auf Armen getragen, ihr erhaltet liebevolle Zuwendung. Denn: Gott wird euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Liebe Gemeinde
Sie sehen: Es geht um mehr als nur ein bisschen „heile heile Segen“ und kuscheln!
Gott, der tröstet, wie eine Mutter. Er ist eben auch wie eine Mutter, ohne die wir gar nicht am Leben wären, ohne die wir schon in den ersten Lebenstagen verhungert wären. Und dieser mütterliche fürsorgliche Gott wird auch Gerechtigkeit herstellen und uns geben, was wir zum Leben brauchen.

Gott, als die Mutter, die auch loszieht und für mich in die Bresche springt, wo meine Möglichkeiten zu begrenzt sind und meine Kraft zu klein ist.
Eine Mutter der in nicht nur meine Sorgen anvertrauen kann, sondern der ich auch vertrauen kann, dass sie kann, was ich nicht vermag.
Aber auch eine Mutter, die mir sagt: Komm, hab keine Angst vor der ungewissen Zukunft! Habe Mut, du schaffst das! Ich kenne dich ja schon lang genug! – Ich bin ja deine Mutter.

Liebe Gemeinde,
da bin ich gerne Kind Gottes. Wenn der, den ich himmlischen Vater nenne, so eine fürsorgliche und kraftvolle Mutter sein kann.

Amen

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