Predigt: Kleine Reise zu den Schätzen im Himmel (Matthäus 6, 19-21 ) 30. September 2001, Erntedankfest

 

Quellenhinweis: Die Geschichte zum Einstieg
habe ich gefunden bei Manfred Günther.

Es war einmal ein junger Mann, der hatte einem Scherenschleifer sieben Jahre lang gedient. Als er sich nun verändern wollte, hoffte er, vom Meister das nötige Startkapital für ein eigenes Geschäft zu erhalten, denn er hatte in der Vergangenheit immer seine Pflicht getan. Der Meister aber, der seinen Gesellen gern hatte, sprach zu ihm: „Ich will dir kein Geld geben, denn mit Geld wirst du dein Glück nicht machen. Auch ich habe ganz klein angefangen, und was du heute siehst, ist meiner Hände Arbeit gewesen. Alles, was ich dir geben will, ist hier dieser Schleifstein. Nimm ihn, er soll dir Glück bringen und Grundstein für deine Zukunft werden.“

Keiner malt sich die Enttäuschung des Gesellen aus. Als er sein Bündel schnürt, um den Meister zu verlassen, legt er den Schleifstein ganz zuoberst. Wenn er erst außer Sichtweite wäre, dann will er ihn von sich in den Fluss werfen.
Doch er ist kaum hundert Meter gegangen, da trifft er einen Burschen, der unterm Arm eine Gans trägt, die er eben zum Schlachten bringen will. Hans gelingt es, dem Burschen den Schleifstein gegen die Gans aufzuschwatzen. Eine Strecke wegs weiter, begegnet ihm ein Bauer, der ein Schwein vor sich her treibt. Kurz und gut, Hans tauscht vorteilhaft seine Gans gegen das Schwein. Wenig später kreuzt ein Metzger mit einer Kuh seinen Weg. Schnell sind die beiden handelseinig: Der Metzger nimmt das Schwein, Hans die Kuh. Und schließlich, ein paar Meilen später, gesellt sich ein Reiter zu Hans, den Hans bald davon überzeugt, wie gut es wäre, wenn er die Kuh für das Pferd nähme. Hoch zu Ross trabt der Hans nun auf sein Heimatdorf zu und dort bezahlt ihm ein Händler sein Pferd mit einem Klumpen von Gold, so groß wie Hansens Kopf.
Und davon kauft Hans sein Schleifergeschäft. Er stellt Leute ein. Er kommt zu Reichtum und Ansehen. Aber auch mit ihm selbst geht eine Veränderung vor: War er früher sorglos und unbekümmert, so reibt ihn nun die Angst auf. Hatte er früher nichts zu verlieren, so steht für ihn jetzt die ganze Existenz auf dem Spiel. War er früher mit dem Wenigen zufrieden, was er verdiente, so will er jetzt mehr und immer mehr, um das was er hat besser abzusichern. Sein Kontostand wird beachtlich, er gehört zu den wohlhabendsten Leuten im Dorf, aber letztlich fühlt er in sich eine große Leere.
Er ist nicht mehr glücklich wie ehedem bei seinem Meister, er ist vielmehr furchtbar unglücklich.
Liebe Gemeinde,
mit dieser Geschichte von Hans im Unglück im Hinterkopf möchte ich ihnen den Predigttext vorlesen: Bei Matthäus, im 6. Kapitel sagt Jesus:
19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.
20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.
21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.
Ja, Wohlstand, Reichtum, Schätze … das hat schon was. Das ist gar nicht zu bestreiten! Mit ihnen kann ich das Leben angenehm gestalten; kann mir Sachen leisten, hinter denen ich sonst ewig vergeblich her wäre. Vieles wird einfacher, wenn man nicht jeden Pfennig umdrehen muss.
Und noch etwas: Es ist auch ein gutes Gefühl, wenn man für seine Arbeit belohnt wird;  Wenn man für die Mühen eines Jahres durch eine erfolgreiche Ernte entschädigt wird. Denn vergebliche Mühen sind furchtbar frustrierend.

Aber es gibt eben auch die Schattenseite: Die Schätze, die ich habe, bergen immer auch ein Risiko. Und das wird immer größer, je größer meine Reichtümer sind.
– Da gibt es den Kleinanleger, der seine paar Ersparnisse in Aktien angelegt hat und seitdem täglich mit Angst die Börsenkurse erwartet. Immer mit der Furcht Geld zu verlieren oder eine große Chance zu verpassen.
– Da kenne ich die Unternehmerswitwe, die in Geld schwimmt. Aber sie hat sich in ihrer Villa verbarrikadiert. Meterhohe Mauern schützen das Anwesen, zwei Dutzend Scheinwerfer beleuchten das Anwesen in der Nacht. Es könnte ja jemand einbrechen…
– Oder auch der Bauer, der seinen Hof modernisiert hat, viel Geld investiert hat um langfristig auf dem Markt bestehen zu können. Und dann sagt ihm der einzige Sohn, dass er sich entschieden hat, Auslandskorrespondent zu werden.

Unsere Schätze, die irdischen Güter haben eben auch ihre problematische Seite. Sie sind immer gefährdet. Motten Rost und Diebe nennt Jesus.
Sicherheit gegen den Verlust gibt es nie.

Darum sein Aufruf: Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.
Tja, was wird Jesus da gemeint haben, mit den Schätzen im Himmel?

Es gibt ja die alte Deutung, dass es dabei um die guten Taten im Himmel geht, mit denen wir uns Verdienste bei Gott erwerben. Ich habe damit so meine Schwierigkeiten. Und nicht bloß ich, sondern viele andere, die ihre Bibel etwas genauer ansehen: Wenn es bei Paulus heißt, dass wir allein durch den Glauben ohne Werke vor Gott gerecht gesprochen sind, dann weiß ich nicht, wie ich die Guten Taten da verrechnen kann.
Ich bringe diesen Gott, der aus Erbarmen seinen Sohn zu unserer Rettung schickt nicht zusammen mit einem himmlischen Buchhalter, der Kontostände über gute Taten führt.
Da scheint Jesus etwas anderes zu meinen und hat ja auch den hilfreichen Satz hinzugefügt: Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.
Ich muss mich also fragen lassen:
~ Alexander Seidel, ist dein Herz im Himmel oder auf der Erde daheim?
~ Welche Bedeutung hat deine Beziehung zu Gott für dich?
~ Hast du bei Gott schon deinen Anker geworfen?
~ Hast du deinen Schatz im Himmel, so dass dein Draht zu Gott letztlich wichtiger ist als die Bindungen an irdisches?

Liebe Gollhöfer,
das klingt gerade wohl ganz nett, aber doch noch ein bisschen abstrakt. Vielleicht hilft ihnen dabei das Gedankenspiel der Inventur.
Da werden sie jetzt ein bisschen in sich gehen müssen, damit in ihnen Bilder entstehen, aber der Versuch ist es hoffentlich wert.
Stellen sie sich ihr Leben, vor, so wie es jetzt ist. Und dann räumen sie einmal zur Inventur aus. Und zwar komplett alles, was irgendwie irdisch ist. Motten, Rost und Diebe können ihnen dabei ein wenig bei raustragen helfen…

Und da geht alles raus: Der Bulldogg (Für Nicht-Franken: Der Traktor), der Stall, die Viecher und Äcker.
Das Sofa, die Küche, das Auto, der Arbeitsplatz, Telefon, Computer, alles…. am Schluss das Haus. Vielleicht merken sie, wie es schon allein im Gedanken weh tut sich von dem allen zu trennen.
Wenn sie es schaffen [nur im Gedanken]: Lassen sie ihre Familie ausziehen, dass nur noch sie übrig bleiben. Und lassen sie auch noch ihre eigenen Knochen einrosten, die Gesundheit ist eben auch ein irdisches Gut.

So. Und jetzt? Was sehen sie vor ihrem inneren Auge? Eine Katastrophe, ein Trümmerfeld. Und suchen Sie mal drin, ob sie noch was finden, woran sie sich festhalten können. Gibts da was?
– Vielleicht Hoffnung auf Gott; dass der ihnen hilft.
– Ein Stoßgebet? Ein Psalm.
– Oder das Gefühl, dass wenn sie jetzt auch noch gehen müssten, dann wären sie bei Gott daheim?
Haben sie was gefunden? –  DAS sind diese himmlischen Schätze, die bleiben, selbst wenn alles geht. Die brauchen sie nicht festhalten. An denen können sie sich festhalten. – Freuen sie sich, dass sie sie haben.
Wenn sie gar nichts gefunden haben, sollten sie um ihretwillen danach suchen, bei unserm Gott Halt und Hoffnung zu finden.

So, nun räumen sie bitte am Ende dieser gedanklichen Inventur wieder ein. Stellen sie die Dinge des irdischen Lebens wieder an ihren Platz.  Alles was sie soeben noch mit Unbehagen losgelassen haben, soll wieder zurückkommen. Ein nach dem andern baut sich ihr Leben vor ihrem inneren Auge wieder auf.
Schließlich hat Gott ihnen diese Güter geschenkt, darum brauchen wir sie auch nicht verachten.
Fertig? Ja?

Vielleicht haben sie gerade das Gefühl gewonnen, dass manche Dinge gar nicht mehr so wichtig sind. Dass man auf manches verzichten kann, dass man manches auch mit anderen teilen könnte.
Allein schon diese Erkenntnis ist viel wert: Verzichten und Teilen – das sind Übungen, mit denen man sich seine Freiheit von den irdischen Schätzen erhält.

Das ist eigentlich auch mein Wunsch für sie:
Freuen sie sich über das, was ihnen an guten Gaben geschenkt wird.
Genießen sie sie in aller Freiheit.
Lassen sie sich nicht von diesen Schätzen gefangennehmen, sondern halten sie sich woanders – bei Gott – fest.

Amen

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