Predigt: Ich möchte Gottes Augapfel sein (Psalm 17, 8) 28. April 2002, Taufe von Babette

Liebe Tauffamilie, Liebe Paten, Liebe Gemeinde,

zur Taufe Ihrer Tochter Babette haben sie sich als Taufspruch einen Vers aus dem 17. Psalm ausgesucht: Behüte mich wie einen Augapfel im Auge, beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel.

Zwei bildliche Vorstellungen stecken in diesem Vers, und über beide möchte ich Ihnen ein bisschen erzählen.

### Augapfel ###

„Ich werde darauf aufpassen wie auf meinen Augapfel“ – so etwas verspricht man oft jemandem, wenn man sich etwas ausgeliehen hat: Ich werde dein Auto hüten wie meinen Augapfel, ich verspreche dir, dass ich damit nicht fahrlässig umgehe, dass du es wohlbehalten wieder bekommst.

Manchmal verleiht man ja mal etwas, und bekommt das dann beschädigt zurück. Das ist dann ärgerlich, und belastet eine Freundschaft. Anscheinend gibt es Menschen, die borgen sich etwas, aber achten nicht besonders darauf. – Wenn’s kaputtgeht, ist es halt kaputt. Pech gehabt. Denen ist das anscheinend irgendwie wurst.

Wenn ich verspreche, etwas wie meinen eigenen Augapfel zu hüten, dann meine ich: Mir ist es nicht egal, was mit dem passiert, auf das ich aufpassen soll. Ich nehme die Verantwortung wahr, die ich übernehme.

„Behüte mich wie einen Augapfel im Auge“ wenn ich das zu Gott sage, dann fordere ich von ihm etwas: Ich will, dass ich dir nicht egal bin. „Ich will, dass du dich wirklich um mich sorgst, dass dir mein Schicksal so nahe geht, wie nichts anderes.“
Wenn mir ein Leid zustößt, dann soll es auch dir weh tun. Ich will dein Augapfel sein. Und Gott zieht sich diesen Schuh auch an.

### unter den Flügeln ###

Die andere Bitte in dem Taufspruch Ihrer Tochter lautet: “ beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel“.

Da denke ich an einen Adler, unter dessen großen Schwingen seine Jungen Schutz suchen können. Wenn Gefahr droht, breitet der Adler seine Schwingen aus und seine Kleinen sind unter seinen Fittichen geborgen.
Kinder – aber bestimmt nicht nur die – brauchen Schutz und Geborgenheit in Ihrer Familie. Die beiden Begriffe Schutz und Geborgenheit haben viel miteinander zu tun. Sie gehören zusammen, besser gesagt: sie sollten zusammengehören.

Ich kann meine Kinder schützen, indem ich mit allen möglichen technischen Hilfsmitteln so etwas wie Sicherheit herstelle. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie sich geborgen fühlen. Sicherheit ist ein sehr objektiver Zustand, und ein ziemlich kalter Begriff.

Geborgenheit ist da etwas ganz anderes. Geborgenheit kommt von einer Umarmung der Mutter oder des Vaters. Geborgen fühlt sich manches Kind, wenn der Teddybär mit im Kinderbett sitzt.
Geborgenheit und das Gefühl vom Sicherheit entsteht für Kinder dort, wo sie merken, dass sie sich auf ihre Eltern verlassen können.
Wenn Paten von sich sagen: Ich will in allen Fällen für die Babette da sein. Dann strahlt das eben Geborgenheit aus. Weil ich als Kind gesagt bekomme: „Deine Paten, die sind immer für dich da, die gehen nicht stiften, wenn es schwierig wird.“
Da kommt Sicherheit und Geborgenheit zusammen.

### Sicherheit und Geborgenheit im Widerstreit? ###

Liebe Gemeinde,
nach dieser Tragödie in dem Erfurter Gymnasium, bei der so viele Lehrer und auch Schüler erschossen worden sind, habe ich gespürt, wie schnell das Gefühl von Sicherheit abhanden kommen kann. Da steht man da und ist gelähmt über dieses Ausmaß von Gewalt
Und ich habe mich auch da mit hinein gedacht. Ich laufe ja auch als Religions-Lehrer immer wieder in einer Schule herum. Und einigen von Ihnen wird es nicht anders gegangen sein, gerade, wenn sie Kinder oder Enkel in der Schule haben.
Eine absolute Sicherheit gibt es niemals im Leben. Dieser Wirklichkeit müssen wir ins Auge blicken. Und das könnte einen gerade angesichts solcher Katastrophen wahnsinnig werden lassen.

Was mich in dieser Situation auffängt, ist das Gefühl von Geborgenheit. Denn das kann ich auch dann haben, wenn sich das Gefühl vom Sicherheit schon aufgelöst hat.

### Geborgenheit bei Gott ###

Für mich entsteht solche Geborgenheit dort, wo ich das Gefühl habe, dass so ein Satz wie Babettes Taufspruch von Gott gehört wird.

Wo ich mich unter dem Schatten seiner Flügel bergen kann. Wo ich bei Gott einen Ort habe, wo ich immer hinkommen kann – auch dann, wenn mich das Schicksal schwer gebeutelt hat.
Ich glaube, dass es diesem Gott auch weh tut, wenn mir etwas zustößt – und darum vertraue ich auch darauf, dass er auf meiner Seite ist, und mich beschützen will.
Ihm ist es nicht egal, was auf unserer Erde passiert.
Das macht mich zuversichtlich, gibt mir Vertrauen in die Zukunft, auch wenn ich weiß, dass es niemals Sicherheit im Leben geben kann.

Liebe Familie A.,

beim Taufgespräch habe ich mitbekommen, dass es ihnen ein Wunsch ist, dass ihre Babette einmal eine Frau wird, die offen ist gegenüber ihrer Umwelt, die sich nicht ängstlich abgrenzt gegenüber dem, was ihr fremd ist.
Ich denke, so etwas kann wachsen, wenn man weiß, wo man Zuhause ist, wenn man sich geborgen fühlt.

Ich wünsche es ihnen, dass es ihnen als Eltern und Paten und Großeltern gelingt, ihren beiden Töchtern das Gefühl der Geborgenheit zu geben.
Das Gefühl der Geborgenheit bei ihnen als Mutter und Vater.
Und auch darüber hinaus das Gefühl der Geborgenheit durch Gott, von dem ich dann hoffen kann,
… dass er mich behütet wie seinen Augapfel
… dass ich mich bergen kann unter dem Schatten seiner Flügel.

Amen

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