Predigt: Die Krippe als geschnitztes Evangelium, 25. Dezember 2005, Erster Weihnachtstag

Liebe Gemeinde,
krippe01seit dem Heiligen Abend steht sie bei uns: Unsere neue Weihnachtskrippe.
Vor über einem Jahr hatten Eltern der diesjährigen Konfirmanden die Idee, die Konfirmandenspende für eine Krippe zu verwenden. Die Konfirmanden wurden mit einbezogen, der Kirchenvorstand hat beraten und Herr Helmut Schmidt aus Gollachostheim hat dann den Stall für uns hergestellt.
Natürlich – der Stall ohne Figuren, ohne Heilige Familie ist wenig sinnvoll – darum kamen nun passende geschnitzte Figuren aus dem Grödener Tal.
Endlich haben wir also auch eine Krippe! Mich hat es eigentlich gewundert, dass es in unserer Kirche bisher keine gab. – Naja, vielleicht stand da ja vor vielen oder sehr vielen Jahren mal eine – und die ist dann irgendwie wieder verschwunden – vielleicht verloren gegangen, oder ausgemustert, weil sie nicht gefiel oder man die Krippenszene für unsere Kirche unpassend empfand. – Ja, es ändern sich ja durch die Jahrhunderte und Jahrzehnte die “Geschmäcker” – auch die kirchenbaulichen und die theologischen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass eine Krippe aus der Kirche geflogen ist … aber ich glaube, da sollte ich erst einmal von Anfang an erzählen.

Eigentlich steht die Krippe ja ganz am Anfang unserer Kirchen-Geschichte. Die Futterkrippe, in der das Jesuskind nach dem Berichten des Evangelisten Lukas lag. Die Szene mit Maria und Josef, die unter hygienisch problematischen Verhältnissen einige Zeit in einem Stall übernachteten fanden die Betroffenen wahrscheinlich alles andere als idyllisch. Und die ersten Christen wollten möglicherweise gar nicht an so eine unpassende Geburtssituation des Gottessohns erinnert werden. Ihnen war wichtig, dass er von den Toten auferstanden ist – den Tod besiegt hat. Das leere Grab, das war die Sensation.
Das Interesse an Jesu Geburtsgeschichte war gering. So hat von unseren vier Evangelisten nur Lukas so ausführlich über Jesu Geburt im Stall geschrieben. Matthäus erwähnt nur die Weisen, die ihn besuchen; kein Wort vom Stall. Für Markus und Johannes sind die Umstände der Geburt Jesu so nebensächlich, dass sie kein Wort darüber verlieren.
Kein Wunder, dass man sich Jahrhunderte lang auch nicht bemüßigt fühlte, sich über den Zeitpunkt der Geburt Gedanken zu machen – weder das Jahr noch das Datum wurde unter den Christen weitergegeben. Dass er geboren war, was ausschlaggebend – alles andere war Nebensache.

Vielleicht ist es tatsächlich erst 1200 Jahre später Franz von Assisi gewesen, der den Bericht vom Stall in Bethlehem so wichtig fand, dass er ihn während eines Weihnachtsgottesdienstes nachspielte: Mit echten Menschen und einem echten Ochsen und Esel.  Das erste der Nachwelt bekannte Krippenspiel der Geschichte. Damit hat er eine wichtige Idee auf den Weg gebracht. Noch im gleichen Jahrhundert stiftete ein Mann – er hieß Pandolfo – in Rom eine Kapelle, in der lebensgroße Alabasterfiguren die Szene von Bethlehem darstellten. Die konnte man sogar so zurecht schieben, wie man sie gerade brauchte.
Es dauerte aber immer noch lange, bis Krippendarstellungen wirklich Verbreitung fanden. Vor allen in einer Format, dass eben nicht groß war, dass man eine eigene Kapelle dafür benötigte. Die Reformation hat das alles mit ihrer Betonung des Wortes und Abwertung bildlicher Darstellungen auch noch kräftig gebremst.
Wen wundert es da, dass gerade der katholische Orden der Jesuiten – der ja in der Gegenreformation sehr aktiv war, besondere Freude an der Idee der Weihnachtskrippen fand. Tatsächlich ging es ab 1562 nördlich der Alpen mit den Krippen richtig los. Eine Weihnachtskrippe gehörte für eine -katholische – Kirche immer mehr zum guten Ton. – Aber eben nur für die Kirchen! Das einfache Volk besaß keine Krippen, lediglich der Adel leistete sich so etwas.

Vielleicht lag es am Geld, vielleicht hat man sich auch nicht so recht getraut, diese heilige Szene im profanen Haushalt aufzustellen. Und so hätte es auch bleiben können.- Wenn nicht ein böse gemeinter Schuss nach hinten losgegangen wäre.
Denn so ab 1750 waren viele deutsche Fürsten der Aufklärung zugeneigt. Vieles an Religiösem erschien ihnen unlogisch, überholt und wertlos.  Religion wurde verstanden als eine Art geistiger Unmündigkeit der Menschen. Und da muss man etwas dagegen tun … auch im Kleinen. So gab es einige Fürsten, die verordneten ein Krippenverbot: In den Kirchen und in der Öffentlichkeit durften keine Krippen mehr ausgestellt werden. Sie flogen buchstäblich raus aus der Kirche.

Aber es kam anders als beabsichtigt: Die Menschen sagten sich: Na gut, wenn in der Kirche keine mehr stehen darf, dann stellen wir uns eben daheim eine Weihnachtskrippe auf. So kam das Geschehen um das Jesuskind den großen und kleinen Menschen daheim in der Stube an Weihnachten buchstäblich ganz nah. Und so war die nächsten 100 Jahre die eigene kleine Krippe von Bethlehem der unumstrittene Mittelpunkt der Weihnachtsfeier daheim. Vor allem in katholischen Haushalten; die evangelischen waren da weiterhin etwas zurückhaltender.
Erst später kam eine neue Mode aus dem Elsass nach Deutschland, die die Krippe in vielen Haushalten buchstäblich in den Schatten stellte. Diesen neuen Trend sind sogar die Kirchen gefolgt: Hier steht er: Der Weihnachtsbaum.

Liebe Gemeinde,krippe02
nun steht sie hier klein neben dem Weihnachtsbaum, aber ist zumindest heute der Star: Unsere Krippe – der Stall mit der heiligen Familie.

Der Stall ist beeindruckend geworden:
Innen mit Futterkrippe und Heuraufe. An der Wand hängen Holzrechen und Sense sowie ein Reisigbesen. In einem kleinen Nebenraum parkt ein Karren, vor den man einen Esel spannen könnte. An der Wand ist Holz gestapelt für den nächsten kalten Winter.
Daneben ein Pferch für die Schafe. Auch die haben eine eigene Tränke, genauso wie unsere Heilige Familie einen Brunnen mit fließendem Wasser vor der Türe haben. Oben über ihnen, im Dachboden liegt getrocknetes Reisig bereit und über dem Josef baumelt eine elektrisch betriebene Leuchte.
– Moment!?
Gab es bei Jesu Geburt denn schon elektrisches Licht?
Und wenn ich genauer hinsehe … fließendes Wasser aus diesem Brunnen, und daneben ein Bach mit kleinem Brücklein – seit wann gibt es auf der trockenen Hochebene um Bethlehem so viel Wasser?
Und ganz grundsätzlich … ein Stall aus Massivholz? Ich erzähle meinen Schülern, dass Lehm der maßgebliche Baustoff für die Wände war.
Haben wir da irgendetwas falsch bestellt?

Nun ja, historisch gesehen haut das nicht so recht hin.
Aber: Wenn dieses Jesuskind bei uns geboren wäre – heute oder vor 200 Jahren in einem Stall auf dem Land – dann würde es möglicherweise genau so aussehen. Dann passt es auch, dass oben am Dach ein Taubenschlag ist.
Diese Krippe verlagert die Geburt Jesu zu uns. In unsere Gegend, in unsere Kultur, in unsere Welt.

Was der Krippenbauer Schmidt in seiner künstlerischen Freiheit gemacht hat, ist zwar historisch nicht korrekt, aber theologisch goldrichtig:
Weihnachten heißt: Gott kommt durch das Kind in unsere Welt. Und unsere Welt ist nicht das Palästina unter der Regentschaft von König Herodes damals, sondern der Landkreis Neustadt-Aisch/Bad Windsheim unter Landrat Walther Schneider heute.

Das Evangelium mit der Aussage “Gott wird Mensch” sehen wir hier aus Holz geschnitzt. Der Gott, der sich in diesem Jesuskind auf den Sprung von seiner Herrlichkeit zu einer sehr begrenzten menschlichen Existenz einlässt, für den ist der Hüpfer vom damaligen Palästina ins heutige Mittelfranken ein Klacks.

Er sagt: Ich komme zu euch; in eure Welt hinein. In deinen Stall, in dein Büro, in deine Küche und in deine Schule. Ich bin dabei, auf mich kannst zu zählen … wenn du dich auf mich einlässt.
Du kannst auch weiter so tun, als wäre das alles irgendwann in grauer Vorzeit in Bethlehem passiert und für dich ohne Bedeutung. Kannst dir einreden, dass die Welt heute so anders wäre mit den modernen Fragen und Problemen, so dass der gekreuzigte Rabbi von damals sowieso keine Antworten hätte.
Aber Menschenkind, vergiss nicht: ich bin dir näher als du glaubst. Nie weiter, als eine gefaltete Hand, nie weiter als ein Gebet weit weg von dir.

Liebe Gemeinde,
die Krippe, die wirklich wichtig ist, steht nicht in Bethlehem, und nicht in der Gollhöfer Kirche, die ist dicht unter meiner eigenen Haut.

Angelus Silesius  hat es vor langer Zeit einmal so formuliert:
Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.

Amen

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