Predigt am Kirchweihmontag mit Blick in die Geschichte Gollhofens (1482-1517 und 1714-1732), 30. Oktober 2006

Liebe Gemeinde,
auch in diesem Jahr möchte ich wieder ein wenig in der Geschichte Gollhofens blättern. Dazu will ich in diesem Jahr auf diverse Baumaßnahmen in der Geschichte unserer Gemeinde blicken. Dazu möchte ich heute an zwei unterschiedlichen Stellen unsere Geschichtsakten aufschlagen. ich beginne zunächst in späten Mittelalter: 1482

Erinnern wir uns an unseren Geschichtsunterricht:
– Zu diesem Zeitpunkt war die Mutter von Martin Luther gerade mit ihm schwanger.
– Amerika wartete ungeduldig auf seine Entdeckung durch Kolumbus.
– Das Heilige Römische Reich deutscher Nation wurde von Kaiser Maximilian I regiert. Er gehörte noch zu den mittelalterlichen Rittern – mit denen war es wenig später nämlich auch zu Ende.

…und nun nach Gollhofen:

1482
Am 30. April 1482 schließen Friedrich von Castell und Wilhelm zu Limpurg einen Vertrag . Darin verzichtet der Limpurger auf einen ererbten Lehensanteil – im Gegenzug verzichtet der Graf von Castell auf alte Rechte an Gollhofen, die seine Familie durch Erbteilung seit dem Jahre 1414 inne hatte. Dadurch wird Gollhofen alleiniger Besitz der Herren von Limpurg-Speckfeld.

1483
In diesen Jahr wird die kleine Glocke gegossen. Sie trägt die Jahreszahl 1483 und die Inschrift: “Maria hilf uns aus aller Not”

1493
Es ist wohl eines der markantesten Daten unseres Dorfes: Die Kirche am jetzigen Ort wird fertiggestellt. Obwohl dieses Ereignis von überragender Bedeutung war, sind über den Kirchbau leider keine Akten erhalten geblieben.

1494
verfertigt Papst Alexander VI am 7. Juli eine Bulle über einen Ablass an der neuerbauten Kirche.  In ihr heißt es, dass auf Bitten eines Kölner Priesters, der aus Uffenheim stammt, an der Pfarrkirche von St. Johann zu Gollhofen an bestimmten Tagen 100 Tage Ablass gewährt werden. Die Tage, an denen der Ablass erreicht werden kann, sind Mariae Empfängnis, St. Katharina, St. Barbara, Ottilia und Kirchweih. Wer also an diesen Tagen nach Reue und Beichte seine Sünden vergeben bekam, konnte gegen Bezahlung einer Gebühr die Befreiung von den Bußstrafen für 100 Tage erlangen.
Die eingenommenen Gelder dienten der Verbesserung der Kirche und der Anschaffung von Kirchengeräten.

1509
wurde der Hauptaltar der Kirche mit zahlreichen Gemälden ausgestattet. Reste dieser Kunstwerke finden wir heute hier an der Nordseite des Altarraumes an der Wand. Der Künstler ist nicht bekannt, man geht aber davon aus, dass es sich um Bilder handelt, die aus einer Nürnberger Malerwerkstatt kommen.

1517
hat man in der Kirche das Sakramentenhäuschen aufgestellt. Es trägt die Jahreszahl 1517 und ein Wappen mit einem Hasen darin. Möglicherweise ein Hinweis auf den Stifter Hans Has, der mit hoher Wahrscheinlichkeit damals Bürgermeister war.

 

Liebe Gemeinde,

diese Einträge in unserer Chronik sind meines Erachtens die ersten, in denen unsere Gemeinde als Gemeinde fassbar wird. Zu den Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor gibt es fast ausschließlich Urkunden, in denen die wechselnden Besitz- und Finanzverhältnisse der Herren über Gollhofen dokumentiert sind. Aber hier, mit der Glocke wird erstmalig spürbar: Hier leben Menschen die mehr sind als Verfügungsmasse der Herrschenden.
Sie gießen eine Glocke, bauen eine Kirche, sammeln Geld für einen Altar…. und feiern in dieser Kirche Gottesdienst.

Das alle erscheint mir ganz langsam zu gehen. Die alte Glocke ist vielleicht noch in der Kapelle am Rathausplatz gehangen. Oder man hat sie vorsorglich schon für die geplante große neue Kirche gegossen, und sie hat 10 Jahre geduldig in einer Scheune auf ihren ersten großen Einsatz gewartet. Überhaupt ist hier viel Geduld spürbar. Kurz nach der Einweihung der Kirche erhält sie das Recht, durch einen Ablass finanziell besser ausgestattet zu werden.
So wird nach und nach ein Abendmahlskelch, eine Decke für den schlichten Altar angeschafft worden sein. Von einer Orgel wissen wir nichts.
15 Jahre dauert es noch, bis der Altar mit Gemälden verziert werden kann. Und dann dauert es noch einmal 8 Jahre, bis mit dem Sakramentenhaus der Altarraum sozusagen fertig wird.

Und ich spüre, wie die Menschen damals anders mit Zeit umgegangen sind. Wo bei uns alles schnell gehen muss, und eine Anschaffung baldmöglichst im idealen Endzustand sein soll, ging da alles viel ruhiger. Man hat seiner Kirche und sich selber Zeit gegeben – vielleicht auch geben müssen – für Prozesse und Entwicklungen. Hat sich über Jahre an dem gefreut, was man neu erreicht hat, und hat sich langsam der nächsten Idee, dem nächsten Ziel genähert.
Heute leben wir im Zustand der Beschleunigung; alles muss immer schneller gehen: Das Essen, das Auto, das Arbeiten. Und obwohl doch alles immer schneller geht, haben wir nicht mehr Zeit, sondern eher weniger.

Vielleicht können wir da ein bisschen von den vergangenen Jahrhunderten lernen. Dass man manchmal mehr Zeit gewinnt, wenn man sich mehr Zeit lässt.

Lied: Wach auf du Geist der ersten Zeugen

Liebe Gollhöfer,
eben waren wir in der Zeit des Kirchbaues und endeten 1517, als in Gollhofen das Sakramentenhäuschen gebaut wurde und in Wittenberg die Reformation startete.
Jetzt möchte ich einmal um 200 Jahre ins 18. Jahrhundert weiterspringen. Eine Epoche, in der in unserer Gegend viele Kirchen gebaut wurden – unsere stand ja schon zwei Jahrhunderte. Wollen wir mal sehen, was sich da getan hat – und beobachten, wie geschäftig die Gollhöfer im 18. Jahrhundert waren:

1714
Im  April beginnt man damit, die Kirchenstaffel neu zu pflastern. Sie führte damals vom Bischofsbrunnen direkt zum heute nicht mehr vorhandenen Tor am Kirchhof.
Im Sommer kamen vom Osten her riesige Heuschreckenschwärme in die Gollhöfer Flur. Wie Wolken verdunkelten sie die Sonne. Die Bürger versuchten sich zu wehren, indem sie große Bretter an ihre Füße banden und damit die Heuschrecken zertraten. Außerdem versuchte man sie durch lautes Schreien und Musikinstrumente zu verscheuchen. Nach kurzer Zeit zog der Schwarm tatsächlich weiter. Über die Schäden gibt es keine Aufzeichnungen.

1715
Der Zustand des alten Schulgebäudes macht der Gemeinde Sorgen.  Es befand sich auf der alten Bastei am Tor zum Kirchhof und war 2 Stockwerke hoch. Es war so baufällig, dass Reparaturen nicht mehr möglich waren, da es einzustürzen drohte. Mit Genehmigung der Gollhöfer Herrschaft in Einersheim wurde der Bau eingerissen. Nur die ehemaligen breiten Basteimauern blieben stehen. Darauf setzte man ein Stockwerk mit einem Erker und einem großen Dach. Auch herrschaftliche Unterstützung blieb nicht aus: Es wurden 30 Eichenstämme gespendet, die für das Dach und als Säulen Verwendung fanden.
Am 5. August wurde der Bau aufgerichtet. Er verfügte über einen großzügigen Schulraum und eine enge Lehrerwohnung. Das Dach erhielt auch einen Knopf und eine Wetterfahne. Die Baukosten von 384 Gulden wurden aus der Kasse der Kirchenstiftung beglichen. Hand- und Spanndienste wurden von der Gemeinde geleistet.

1716
am 21. September, gab es eine allgemeine Visitation in der Kirche von Gollhofen. Der Oberpfarrer von Sommerhausen war dazu einen Tag lang angereist. Es ging jedoch nicht nur um die Amtsführung des Pfarrers, sondern zugleich wurde durch einen Kanzleidirektor das gesamte Gemeinwesen einer Prüfung unterzogen. So ist zu lesen, dass Jung und Alt in der Kirche examiniert wurden, also einer Art Konfirmandenprüfung, unterzogen wurden. Ziel war es dabei, festzustellen, ob der Pfarrer seine Pflicht zur Unterweisung der Gemeindeglieder gut erfüllt hatte. Wahrscheinlich wurde auch überprüft, ob die Bürger Beschwerden gegen die Amtspersonen erhoben.  Abschließend wird vermerkt, dass bei Untersuchung von Gemeinde, Gericht und Pfarramt keine Klagen vorgekommen seien.

1718
spendeten zwei Witwen mit Namen Wirsching und Thorwart neue textile Behänge für den Taufstein und den Epistelstuhl. Letzterer war wohl ein Lesepult in der Art unserer alten Aufbetstühle.

1719
baute man an die Pfarrscheune eine neue Wagenhalle an.
In diesem Jahr wurde auch die alte Orgel restauriert. Sie befand sich an der Nordseite der Kirche auf der Empore. Direkt neben dem Altarraum. Der Treppenaufgang der Herrenmühler war also damals die Stiege zur Orgel. Der Orgelbauer Brandenstein aus Kitzingen hat diese Orgel auseinander gebaut, die defekten Teile wieder instandgesetzt und hat sie etwas weiter nach hinten versetzt wieder auf der Empore aufgebaut.

1721
Am 9. Oktober wird von einem ungewöhnlichen “Markungsumgang” berichtet. Die gesamte Bürgerschaft zog mit Fahnen und bewaffnet unter Trommelschlag durch die Gemarkung. An besonderen Steinen wurden an die Jugend kleine Messer und andere Dinge verteilt. Auch stieß man mit den Kopf an diese Steine zur besseren Erinnerung. Ein Festmahl, an dem der Oberschultheiß, die 12 Gerichtsherren, der Gerichtsschreiber und die Siebener teilnahmen, beschloss die Feierlichkeiten

1723
In diesem Jahr wurde an der Stelle des alten und baufälligen Pfarrkellers auf dem Wall um die Kirche ein neues Kellergewölbe errichtet.

1724
Ein nächtlicher Orkan reißt im Januar den gesamten First des neuen Schulhauses herab. Im Dorf  sind bei vielen Häusern die Kamine eingestürzt und viele Bäume wurden entwurzelt.

1726
Der Boden im Langhaus der Kirche wird neu mit Sandsteinplatten belegt.

1727
Es folgen nachhaltige bauliche Veränderungen der Kirche. Bis dahin führte eine Treppe an der Innenseite zur Empore. Nun wird auf der Höhe der ersten Empore eine Türöffnung in die Wand gebrochen und die bisherige innere Treppe nach außen verlegt. Der gewonnene Platz im Inneren wird für die Einrichtung einer weiteren Bankreihe für die Frauen genutzt. Auch an der Nordseite der Kirche wird Hand angelegt: Die Sakristei erhält eine Außentüre.
Für diese Baumaßnahmen war die Zustimmung der Limpurg-Speckfelder Herrschaften notwendig. Darum kamen hohe Herren aus Sommerhausen und Einersheim nach Gollhofen und stimmten dem Umbau zu. Dabei kam auch die Sprache auf das zu reparierende Pfarrhaus. So wurde gleich vor Ort ein Vertrag mit einem Maurer aus Berchtheim und einem Zimmermann aus Uffenheim geschlossen. Der Gollhöfer Pfarrer widerrief jedoch nach 6 Tagen den Auftrag und beantragte den kompletten Neubau eines Pfarrhauses.

1729
wurde das neue gräfliche Amtshaus am Kettenbrunnen erbaut. Die Gemeinde leistete Hand-und Spanndienste. Das Bauholz kam aus dem limpurgischen Forst hinter dem Frankenberg

1730
Nun war das Pfarrahaus tatsächlich an der Reihe. Es wurde im bisherigen Pfarrhof auf dem zuvor errichteten Keller gebaut. Das alte Pfarrhaus wurde sich zunächst selbst überlassen. Es stand wohl am Ort  des jetzigen Waschhauses. Der damalige Pfarrer Hartung hatte beklagt, dass das alte Haus baufällig war. Außerdem schrieb er in seinen Anträgen, dass das Haus durch seine weite Entfernung von den übrigen Häusern räuberischen Einfällen ausgesetzt sei.
Die Gemeindeglieder standen dem Neubau kritisch gegenüber. Da er aus der Kirchenkasse bezahlt wurde, kamen zwar keine Abgaben auf sie zu, aber sie waren verärgert, dass sie ein Jahr nach dem Amtshaus-Bau schon wieder zu Hand- und Spanndiensten herangezogen werden sollten. Aber auch der Besuch einiger Vertreter bei der gnädigen Herrschaft änderte nichts: Das Pfarrhaus wurde im August 1730 aufgerichtet.
Im Gegensatz zum Kirchbau befinden sich bis heute die Rechnungen des Pfarrhausbaues in unserem Archiv. Die Kosten betrugen rund 1200 Gulden.

1732
wurde der Pfarrhof durch ein Waschhaus und einen Viehstall abgerundet. Dabei fanden die Mauern des alten Pfarrhauses Verwendung.

 

An dieser Stelle, liebe Gollhöfer, möchte ich unsere Chronik wieder verlassen. Unglaublich, was in dieser Zeit los war. An allen Ecken wird repariert, umgebaut und neugebaut. Während  200 Jahre zuvor im Zeitlupentempo von 23 Jahren der Altarraum langsam Gestalt annimmt, wird im Rhythmus von wenigen Jahren die Orgel umgebaut, werden zwei Türen durchgebrochen, die Kirchenstaffel saniert und der Boden neu gefliest. Nebenan werden innerhalb von 14 Jahren Pfarrhaus und Schulhaus abgerissen und neu errichtet.

Es scheint immer ein bisschen Arbeit zu geben. Da unterscheidet sich eine Gemeinde nicht von einem Bauernhof, wo auch am laufenden Band etwas anfällt: Hier ist was kaputt, da könnte man was umbauen … achja …. wenn ich mal Zeit habe, wollte ich Dingsbums auch mal endlich in Angriff nehmen.

Es gibt immer was zu tun. – Das könnte ein Motto von Kirche sein. Aber hoffentlich nicht nur in Bauangelegenheiten.

Ich wünsche mir, dass wir uns auch geistlich in Schuss halten.
Darauf achten, wo sich in unserem Leben Dinge ausgeleiert haben, oder eingeschliffen, die so nicht sein sollten.
Dass wir offen sind für Veränderungen.
Bereit sind, von Altem Abschied zu nehmen, und Neues zu beginnen.

Dass uns allen das mit Gottes Hilfe gelingt, das wünsche ich – heute am Kirchweihmontag – ihnen persönlich; und uns als Kirche.

 

Amen

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