Predigt: Nähme ich Flügel der Morgenröte (Psalm 139, 9f) 17. Juli 2011, Taufe von Lina

Dwilsoniese Taufpredigt zum Psalm 139 nimmt eine Szene aus dem Film “Cast away – verschollen” mit Tom Hanks auf.

Die Erfahrung von Chuck Noland in „Cast away – verschollen”

Chuck Noland lebt und arbeitet für seine Firma, einem der führenden Logistikunternehmen weltweit. Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Pakete der Kunden schnell, zuverlässig und pünklich beim Kunden ankommen. Auch wenn es darum geht, eine Blumenvase von einer einsamen texanischen Ranch in eine sibirische Kleinstadt zu liefern. Seine Firma schaft es innerhalb von 48 Stunden.
Um das sicherzustellen  ist er rund um den Globus unterwegs, immer mit der Stoppuhr in de Hand, immer unter Strom. Bis sein Flugzeug in einem Tropensturm abstürzt. Er überlebt als einziger und strandet auf einer kleinen Insel irgendwo im Pazifik.

So beginnt der Kinofilm „Cast away – Verschollen” in dem der Schauspieler Tom Hanks diesen tragischen Helden spielt.
Glück gehabt – könnte man sagen, schließlich hat er die Katastrophe überlegt. Aber es kommt anders: Die Einsamkeit macht ihm zu schaffen. Die Hoffnungslosigkeit frisst sich in sein Gemüt. Verzweiflung macht sich breit. Vergeblich versucht er von der Insel wegzukommen, aber sein Floß kentert. Schließlich will er sich selbst umbringen, aber selbst das misslingt. Langsam spürt er: diese Situation wird ihn in den Wahnsinn treiben – So weit weg von allem, was ihm wichtig war. Getrennt von seiner Freundin, die er bald heiraten wollte. Ohne Gegenüber, mir dem er reden konnte, mit dem er seine Sorgen teilen, mit dem er sich gemeinsam motivieren konnte.

Bis er Wilson entdeckte.  (der präparierte Volleyball ist zu sehen ) Ein angeschwemmter Volleyball, der durch ein paar Flecke aussah, als hätte er ein Gesicht. Diesen Volleyball gab Chuck Noland den Namen Wilson und das Spielgerät wurde sein Gegenüber, sein Freund.
So saß der Gestrandete oft unter den Palmen und diskutierte mit Wilson, seinem Volleyball , teilte mit ihm seine Pläne und seinen Kummer.  Tausende von Kilometern fern der Heimat, auf einem winzigen Eiland inmitten des endlosen Ozeans sitzt dieser Mann da, und ein angemalter Volleyball wird sein bester Freund.

Wir brauchen ein echtes Gegenüber

Liebe Eltern, liebe Gemeinde,  nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Psalm 139, 9-10
Der Verfasser dieses Psalm kannte keine Flugzeuge und hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie weit der Pazifische Ozean sein könnte. Aber er hatte ein Gespür dafür, wie es ist, wenn es einen ganz weit weg verschlägt. Weit weg von der Heimat, von dem was man kennt und liebt, oder auch weit weg von dem was man als geistige Heimat kennt. Da fühlt man ganz schnell allein und verlassen – und sehnt sich nach einem vertrauten Gegenüber, einem „Du” mit dem man über seine Gedanken und Gefühle sprechen kann.
Das muss einer sein, der mich kennt und den ich kenne. Zu dem ich Vertrauen habe, und mit dem ich die Erfahrung gemacht habe, dass er mich und meine Fragen ernst nimmt und dass ich mich auf ihn verlassen kann.  – Da braucht man mehr als einen Volleyball mit Mund, Nase und zwei aufgemalten Augen.
Zum Beispiel einen Gott, mit dem man schon sein Leben lang verbunden ist, der mir seit dem Anfang meines Lebens versprochen hat, bei mir zu sein und mich zu begleiten. Als konstante verlässliche Größe, als Gegenüber, als Freund und als Kritiker. Als große Macht und als einer, der mir ein Stück weit immer ein Geheimnis bleibt.
Aber das ist ja gar nicht so einfach: Viele Menschen reden von Gott. Aber manchmal so, als wäre unser Gott so etwas wie der Volleyball Wilson: Eine Projektion, ein abstrakter Gedanke, etwas, was man verehrt, wohin man sogar beten kann, aber letztlich ist es halt eine psychologische Stütze, damit man nicht wahnsinnig wird auf dieser Welt. Weil ich ihn nicht sehen kann, weil da keine Stimme zurückkommt, fühle ich mich manchmal so, als wäre Gott so ein bemalter Ball, schön, dass es ihn vielleicht gibt, aber er bleibt stumm und oft genug bleibe ich ratlos zurück.

Diese Erfahrung gehört auch zum Glauben dazu, in den eure Lina hineinwachsen soll. Das wird keinem von uns erspart bleiben. Umso wichtiger ist es, dass Ihr als Eltern und Paten eurer Lina vermitteln könnt, dass dieser Gott eben mehr ist als ein bemalter Volleyball . Weil es eben auch die Erfahrung gibt, dass Gott etwas in meinem Leben bewirkt hat. Wo mein Glaube mir geholfen hat. Wo ich gespürt habe, dass da eben mehr ist zwischen Himmel und Erde. Dass ich kleine oder große Wunder und Wendungen im Leben erfahren habe. Dass eine innere Stimme mir Kraft gegeben hat oder vor Fehlern bewahrt hat. Momente, von denen ich heute noch sagen kann: Kaum zu glauben, was es so alles gibt, in Gottes Wirklichkeit.

… und bliebe am äußersten Meer …

Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,  so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Mir diesem Vertrauen im Gepäck kann man sich aufmachen in die Weiten dieses Lebens. Auf die Ozeane, in die Wüsten, in die pulsierenden Zentren der Welt und in die Turbulenzen unseres inneren Lebens.
Das gilt für Lina genauso wie für euch Eltern und uns alle:
Vielleicht wird sie tatsächlich einmal auf der anderen Seite des Globus ihre Heimat finden. So dass ihr gerade noch durchs Internet mit ihr in Kontakt stehen könnt, und spürt, dass sie dort ein ganz anders Leben führt als Ihr in Gollhofen … aber doch ist unser gemeinsamer Gott an ihrer und Eurer Seite.
Vielleicht wird sie einmal mit ihrer Sicht der Welt und ihren Werten ganz woanders landen als ihr, und das nicht nur in der Pubertät. Das miteinander Reden wird kompliziert, weil sie sich eben so ganz anders entwickelt hat, als ihr es euch vorgestellt hättet. Ihr merkt auch dass es weh tut, … und doch ist es eure Tochter, das geliebte Kind eurer Liebe. Auch in dieser Art von Entfernung dürft ihr euch sagen: Auch wenn mein Kind aus dem Horizont meiner Welt verschwindet: so würde auch dort Gottes Hand sie führen und seine Rechte sie halten. Denn sie ist ein Gotteskind, seine Liebe ist größer als unsere Phantasie.
Naja, vielleicht gehts euch ja jetzt in der Gegenwart auch schon so: Gestrandet am Ufer einer Insel mit Namen „Elternschaft”. An den Palmen hängen Hipp-Gläschen, die weißen Blüten der exotischen Blumen entpuppen sich als Pampers, durch die Nacht schreit kein bunter Vogel sondern eine schlechtgelaunte Lina, von der grade keiner weiß, was ihr eigentlich fehlt.
Und ihr überlegt: Boa, wo hats uns denn hinverschlagen, das ist ja jetzt total anders als bisher? Von der Insel kommen wir die nächsten Jahre nicht mehr runter … man sehn, wie wir das aushalten.
Ihr merkt: Linas Taufspruch gilt euch als Eltern auch:  Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,  so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Wir wünsche euch, als Familie, dass Gott euch begleitet und hält. Dann müsst ihr auch nicht anfangen, Volleybälle mit Gesichtern zu bemalen

Amen

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