Predigt: Wir brauchen Erinnerungsstücke (Josua 4, 1-9) 25. September 2011

Bild: Mose / Dieter Schütz/pixelio.dePredigt zur Begrüßung der neuen Präparanden in Wilhelmsdorf und Brunn. Die Israeliten im Predigttext und wohl auch junge Leute fragen sich mitunter: Wozu soll das alte Zeug gut sein?

Unser Predigttext steht im Buch Josua, im 4. Kapitel. Darin finden wir den Abschluss der Wanderung des Volkes Israel aus Ägypten in das versprochene Land. Im 4. Kapitel ist es endlich soweit: Sie überqueren des Flüsschen Jordan und sind endlich am Ziel:

1 Als das ganze Volk durch den Jordan gezogen war, sprach der Herr zu Josua: 2 „Ruf jetzt die zwölf Männer, die das Volk aus seinen Stämmen ausgewählt hat. 3 Befiehl ihnen, zwölf große Steine aus dem Jordan zu holen, genau an der Stelle, wo die Priester stehen. Sie sollen die Steine zu dem Ort bringen, an dem ihr heute übernachten werdet.“ 4 Josua rief die zwölf Männer 5 und wies sie an: „Geht zurück in den Jordan, bis an die Stelle, wo die Priester mit der Bundeslade des Herrn, eures Gottes, stehen. Jeder von euch soll sich dort einen großen Stein auf die Schulter laden, damit wir zwölf Steine haben, für jeden Stamm Israels einen. 6 Aus ihnen soll ein Denkmal gebaut werden. Wenn euch eure Kinder später einmal fragen, was diese Steine bedeuten, 7 dann erklärt ihnen: ‚Als man hier die Bundeslade hindurchtrug, staute sich das Wasser des Jordan, und wir konnten durch das Flussbett ziehen. Daran soll dieses Denkmal die Israeliten zu allen Zeiten erinnern.´


8 Die zwölf Männer taten, was Josua ihnen befohlen hatte. Sie hoben zwölf Steine aus dem Flussbett, für jeden Stamm Israels einen, und trugen sie bis an den Ort, wo sie übernachten sollten. 9 Josua nahm weitere zwölf Steine und richtete mitten im Jordan ein Denkmal auf, genau dort, wo die Priester mit der Bundeslade standen. Diese Steine sind noch heute dort.

Denkmale – die toten Steine

Liebe Gemeinde,
Denkmale interessieren eigentlich kaum einen Menschen. Sie stehen in der Gegend herum, fast jedes Dorf hat welche. Ein Gedenkstein für die Flurbereinigung, ein Kriegerdenkmal, eine Erinnerung an eine Schlacht in grauer Vorzeit oder einen berühmten Menschen, der hier oder da wohnte.
Denkmale – aus Stein, der lange hält, über Generationen, damit für alle Zeiten ein Denkmal gesetzt ist.
Aber für viele Menschen und vor allem für junge Leute sind das eben nur alte, schweigende, tote Steine, die dokumentieren, dass da mal was war, was einen eh nicht interessiert. Wozu eigentlich dann der ganze Aufwand?

Joab braucht ein Erinnerungsstück

Vielleicht sollten wir Joab fragen. Einen der Männer aus der Erzählung, die wir eben gehört haben.  Die Füße sind noch feucht vom Durchzug durch den Jordan, und der Kopf ist voll: Voll von Eindrücken, Gefühlen, Erinnerungen. Das war eine lange Zeit, eine sehr lange Zeit, die sie unterwegs waren. Er weiß noch, wie sie losgezogen sind aus Ägypten, endlich freigelassen aus der Sklaverei in Ägypten. Die ersten euphorischen Tage der Reise nach Osten. Dann das Drama am Schilfmeer: Dieses Wunder, das sie vor den ägyptischen Soldaten gerettet hat, diese Bilder vom aufgestauten Wasser links und rechts, das sich keiner so recht erklären konnte. Bilder, die sich eingebrannt haben in sein Gedächtnis, genauso wie die Gefühle, der Todesangst in diesem Moment und die Tränen der Erleichterung, als sie endlich in Sicherheit waren.
Sinai, der rauchende Gottesberg, die Gemeinschaft disess Volks, das da in der Wüste zeltete.
Aber auch Wochen der Krise, des Zweifels, in denen alles in Frage gestellt wurde: Was haben wir von unserer Freiheit, wenn wir hier in der Wüste verdursten – wo ist unser Gott geblieben? War das alles doch nur eine große Illusion? Und Mose der religiöse Volks-Verführer?
Und dann immer wieder Erlebnisse der Gewissheit: Ja, wir sind auf dem richtigen Weg, Gott ist mit uns und hilft uns. Manna, Wachteln, Quellen die unerwartet im richtigen Moment am Wegesrand liegen.

Und jetzt ist man endlich im gelobten Land, hat den Grenzfluss, den Jordan überquert. Angekommen – Ende der Reise – Auch für Joab: „Wahnsinn,” denkt er sich „unglaublich, was ich da erlebt habe. Das ist so viel, das war so intensiv, da fehlen mir die Worte. Eine Erfahrung, die ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen werde. Aber doch ahne ich, dass diese inneren Bilder mit der Zeit verblassen werden. Irgendwie müsste man das doch aufbewahren. Sich und andere daran erinnern. Damit das, was wir erlebt haben nie, wirklich niemals mehr vergessen wird.”

Und Josua rief:. Jeder von euch soll sich dort einen großen Stein auf die Schulter laden, damit wir zwölf Steine haben, für jeden Stamm Israels einen. Aus ihnen soll ein Denkmal gebaut werden. Wenn euch eure Kinder später einmal fragen, was diese Steine bedeuten,  dann erklärt ihnen: ‚Als man hier die Bundeslade hindurchtrug, staute sich das Wasser des Jordan, und wir konnten durch das Flussbett ziehen. Daran soll dieses Denkmal die Israeliten zu allen Zeiten erinnern.

Ein steinernes Denkmal.

Aber eigentlich ist es kein toter Stein, sondern ein Erinnerungsstück, ein Gegenstand an dem die lebendigen Erinnerungen und Erfahrungen dieser Menschen kleben, die da aus der Wüste kamen.

Liebe Gemeinde, liebe Präparanden,
eigentlich ist das gar nichts Ungewöhnliches. Erinnerungsstücke, das kennen wir doch:
Vom Urlaub machen wir Fotos und hängen sie an die Wand, im Souvenirladen finden wir eine Kleinigkeit, die wir dann im Regal unterbringen, neben der Muschel vom Badeurlaub vor 2 Jahren. Von einem Konzert oder Festival bringt man ein T-Shirt der Stars mit. An allen diesen Gegenständen hängen Erinnerungen, und manchmal beim Aufräumen nehme ich so ein Ding in die Hand und denke an ein schönes Erlebnis zurück.
Ich merke: Die Denkmale, die mich wirklich berühren stehen daheim, und sie sind mir wichtig. Nur hie und das sagt einer: „Was willst du mit dem alten Gruschi” … naja, der hat eben keine Ahnung davon, was mir wirklich wichtig ist, welche Erlebnisse damit verbunden sind.

Umgehen mit den eigenen Glaubenserfahrungen

Erinnern kann man sich an vieles. Auch an Glaubenserfahrungen?  Warum nicht? Keiner von uns ist aus Ägypten geflohen, hat am Sinai gezeltet und hat den Jordan überquert. – Aber es geht auch weniger spektakulär.
Es gibt ja so Momente, die aus dem Alltag herausfallen, in denen ich spüre, da war Gott für mich da, da hat ich gemerkt, wie er mir Kraft gibt, mich tröstet, oder mir die Spur einstellt und deutlich macht, dass was nicht passt.

Da ist die Frau, die in einem Umschlag ein Haarbüschel aufbewahrt. Das waren die letzten, die im Zuge der Chemotherapie ausgefallen waren. Sie sagt: „Ich weiß nicht, ob ich diese Zeit ohne meinen Glauben an Gott überstanden hätte. Diese Haare erinnern mich daran, wie er mir damals geholfen hat. Jetzt bin ich wieder gesund, aber ich will diese Zeit nicht vergessen.”

Da hockt einer wie ein Häufchen Elend über seiner Mathe-Schulaufgabe. Die anderen schreiben und rechnen wie die Wilden; nur er steht völlig auf dem Schlauch. Wie blockiert ist er, nichts geht, er kann den Sechser auf dem Blatt schon förmlich riechen. Dann fällt ihm etwas ein: „Lieber Gott, mach, dass das noch was wird. Ich hab doch gelernt. Und in Reli haben die auch immer davon erzählt, dass du Wunder geschehen lassen kannst. Bitte. Bitte hilf mir. Amen” Die Hände hat er dabei unauffällig unterm Tisch gefaltet. Und tatsächlich: Wenig später fällt ihm der richtige Lösungsweg ein. Es schafft nicht alles, aber an Schluss reicht es zum guten Dreier.
Ein Wunder?  Oder Einbildung? Ein psychologisch erklärbares Phänomen? Diesem Schüler ist es egal: Er hat für sich entschieden: An der Sache mit Gott ist was dran. Und das Angabenblatt der Schulaufgabe liegt im Kinderzimmer unter der Schreibunterlage – sein kleines Denkmal an ein ganz besonderes Erlebnis.

Präparanden- und Konfirmandenzeit als Zeit der Erfahrungen

Ich komme zum Schluss:
Denkmale, damals wie heute, sind nur selten die sensationellen Werke, wo einem der Atmen stockt und man nur ehrfürchtig draufschaut. Und auch die Denkmale unserer Glaubenserfahrung sind allermeistens nur klein und unspektakulär. Manchmal sogar so klein, persönlich und zerbrechlich, dass man sie nicht jedem zeigen möchte. Man weiß ja auch nie, wie andere darauf regieren – und ausgelacht oder verspottet werden will man schon gar nicht.
Glaubens-Denkmale sind für uns selber wichtig, dass wir uns immer wieder mal vergewissern: Ja, mein Glaube ist keine Illusion, dazu habe ich schon viel zuviel gute Erfahrungen mit Gott gemacht, und diese Erfahrungen habe ich nicht vergessen.

Amen

 

Foto rechts oben: Dieter Schütz/pixelio.de

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