Predigt: Vom Wachstum bis zur Ernte (Predigt zu den neuen grünen Paramenten der Wilhelmsdorfer Kirche) 19. Juni 2016

Nun paramentgruen1bhaben wir nach dem violetten Parament auch das grüne erneuert. Auch hier hat uns die Künsterlin Andrea Thema beraten und den Antwurf dann umgesetzt. Die Ansprache wurde von verschienden Sprechern vorgetragen, der mittlere Teil stammt aus der Feder unseres Vikars Jonas Moßdorf.

Die wachsende Saat

Und Jesus  sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft  und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.  Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.  Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.(Mk 4, 26-29)
An dieses kurze Gleichnis hat mich das Motiv unseres Paraments spontan erinnert. Das Weizenkorn, das einfach wächst. Ganz von alleine geht es auf, durchbricht die Erdschicht über dem Samenkorn und entwickelt sich weiter, vom zarten Spross bis hin zum langen Halm mit beeindruckender Ähre, die sich im Sommerwind biegt. In Streifen – grün rot gelb braun –  zieht sich das Motiv nach oben, ein bisschen erinnert es mich an die Rillen im Getreidehalm, in den Farben erkenne ich das satte Grün der frisch aufgehenden Saat und das Goldgelb des reifen Ackers.

Der Weizen wachset mit Gewalt, darüber jauchzet jung und alt” so beginnt der siebte Vers von “geh aus mein Herz”. Wachstum ist eine Macht, eine grundlegene Bewegung, die Gott in unsere Welt hineingepflanzt hat. Nicht nur die Pflanzen wachsen, auch wir Menschen. Unser Körper wächst knapp zwei Jahrzehnte. Aber auch der innere Mensch, Geist und Seele solle wachsen und reifen.
Manches mal muss ich erkennen, dieses Wachsen geht von ganz von alleine. Wachstum, das Reifen eines Menschen braucht Zeit, braucht den passenden Moment. Das kann man nicht so einfach beschleunigen; da waren die Erfinder des Turbo-Abiturs in 8 Jahren nicht die Ersten, die das erkennen mussten. Schon in vielen Kindergärten hängt das afrikanische Sprichwort: “Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht”.

Die lange Trinitatiszeit von Juni bis November ist die festlose Zeit. Wir lassen den schnellen Rhythmus von Weihnachten – Passion – Ostern – Himmelfahrt – Pfingsten hinter uns. Es ist ja so viel gewesen, so viel gefeiert, so viel gehört, so viel gesät. Nun ist Zeit zum Abwarten, zum Wachsen,– Zeit zum Reifen.

Ich atme durch, komme endlich mal wieder zu mir selbst.
Neue Erkenntnisse blühen auf.
Gute Ideen reifen und nehmen Formen an. Wenn man ihnen Zeit lässt – und nicht schon die unreifen Gedfankenfrüchte pflückt und damit Schnapsideen erntet.
Reich Gottes wächst. Die Botschaft seiner Liebe nistet sich ein in meinem Herzen … in vielen Herzen … uns verändert das Gesicht unserer Welt.

Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft  und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.  Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.  Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

 

Die Ernte          

Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin, denn die Ernte ist da. Ich sehe im Motiv unseres Paraments eine Garbe nach der Ernte. Das volle und reife Korn wird von den eifrigen Erntehelfern geschnitten und gesammelt. Jesus selbst kam aus einer Gegend, die hauptsächlich von einfachen Menschen bewohnt war – Fischer, Handwerker und sicher auch Bauern waren unter seinen Ersten Zuhörern. So verdeutlicht er am Bild der Ernte, an diesem einfachen Bild, die schwierigsten Tatsachen des menschlichen Lebens.

Ihnen widmen wir uns besonders in den Tagen am Ende des Kirchenjahres, durch die uns dieses Parament ab jetzt auch begleiten wird. An ihnen blicken wir auf das, was wir gerne verdrängen mögen, auf unsere Endlichkeit.  Wie das Korn nach seinem Wachstum geschnitten wird, so wird auch unser Wachstum ein Ende nehmen. Dafür kann die Rede von der Ernte stehen. So heißt es ja schon in einem Volkslied:paramentgruen1c
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Hat Gewalt vom höchsten Gott,
Heut wetzt er das Messer,
Es schneidt schon viel besser,
Bald wird er drein schneiden,
Wir müssens nur leiden. Hüt dich schöns Blümelein!

An unsere Endlichkeit erinnert zu werden ist zunächst eine schwere Übung und doch lehrt sie uns, unser Leben im hier und jetzt auf andere Weise zu schätzen. Wer weiß, dass seine Zeit begrenzt ist, der geht anders durch sein Leben – bewusster, respektvoller. Wer weiß, dass das Leben ein Geschenk auf Zeit ist, der wird sein Leben und das der Anderen ganz anders wertschätzen. So kann uns die Weizengarbe daran erinnern, dass unsere Zeit ein Geschenk aus Gottes Hand ist, das er eines Tages von uns zurückfordern wird.

Die Ernte hat aber noch einen anderen Aspekt, denn das Gerntete geht ja nicht verloren. Nein es wird sorgsam zusammengesammelt und dann eingebracht. So lässt Gott unser Leben auch nicht auf dem Feld verdorren, sondern wird seine Ernte einbringen und uns so zu sich führen. So ist der Blick auf die Endlichkeit am Ende des Kirchenjahres immer zugleich ein Blick auf die Ewigkeit, die uns Gott versprochen hat. So lesen wir beim Evangelisten Matthäus: „Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune. “

Alles was Gut und Wertvoll ist an unserem Leben wird nicht verloren gehen, sondern seinen Platz bei Gott finden, der es uns geschenkt hat. So schließt auch das Volkslied vom Schnitter optimistisch:
Trutz! Tod, komm her, ich fürcht dich nicht,
Trutz, eil daher in einem Schnitt.
Wenn Sichel mich letzet,
So werd ich versetzet in den himmlischen Garten, drauf will ich wohl warten.
Freu dich schöns Blümelein.

 

Der enge Weg             paramentgruen1a

Aber vielleicht sehen Sie beim Betrachten dieses Motives etwas ganz anderes? Kunst ist ja immer offen für ganz unterschiedliche Interpretationen. So kann man sich beim Blick auf diese Streifen auch in einen engen Weg hinein versetzt fühlen. Links und rechts ziehen sich die Wände hoch; weit über meinen Kopf  hinaus. Grün, rot und braun sind diese Wände. Erst weiter vorne, da werden die hohen Wände heller und bekommen einen gelben Fabton. Ich gehe einen dunkeln Gang entlang ins Licht. Auch wenn ich ein Ende dieses engen Weges noch nicht erkennen kann.

“Und ob ich schon wanderte im finsteren Tale, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.” Ein Satz, der Mut macht. Ein Satz der schon vielen Menschen in der Krise geholfen hat. Er hat ihnen Kraft verliehen und Hoffnung gemacht. Manchmal hat er mehr bewirkt, als es Medikamente vermochten.
Der Blick vom Dunkel hin zum Licht nimmt mir auch die diffuse Angst vor dem was kommt. Ich weiß zwar nicht, was im Leben noch auf mich wartet. Ich habe nicht einmal eine Ahnung, vor welche Herausforderungen ich gestellt werde und welche Wege mir bevorstehen. Aber ich will hoffen, dass auch die dunklen Täler meines Lebens diese Farben wiederspiegeln, die ich hier sehe.
Das Grün des Wachstums und der Hoffnung.
Das Rot das Blutes Jesu, der mich erlöst hat.
Und das Gelb des Lichtes, der aufgehenden Sonne.

Da entdecke ich, dass dieser Weg nicht einfach so da ist. Er ist eingebettet in das satte Grün dieses Lodenstoffs. Grün Satt: “Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser”.
Das ist die Grundlage, auf der alles andere geschieht: Unser Herr als der Gute Hirte, der es gut mit mir meint, der dem Mangel meines Lebens abhilft.

Es ist nicht leicht, die dunklen Täler des eigenen Lebens mit dieser grünen Aue zusammenzudenken. Oben an der Kanzel ragt dieser Weg nach unten aus dem Grün des Paraments heraus. Er hängt über. So als wäre der Weg zu lang und zu schwer für das grüne Quadrat.
Es geht nicht immer alles eins zu eins auf. Ich kann nicht immer alles als gute Fügung Gottes verstehen. Manches ragt heraus, bleibt widerständig, passt einfach nicht in unsere Vorstellung von Gott hinein. Aus diese Erfahrung gehört zu unserem Glauben.

Und doch: Es bleibt das Grün der Hoffnung. Das Grün, des Wachtums. Auch Wachstum unseres Verstehens von Gott. So dass wir einmal im Blick auf unser Leben auch die Worte des Psalms aus vollem Herzen nachsprechen können:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auch einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tale, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

Amen

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