Predigt: Weitersagen! (Johannes 17, 5-8 ) 8. April 2001

Liebe Gemeinde,

wir haben Palmsonntag. Die Evangelienlesung hat davon berichtet: Jesus geht nach Jerusalem hinein die Leute bejubelten ihn, aber er selbst hat sich nicht von der Begeisterung mitreißen lassen. Denn er wusste: eine Woche noch – dann kommt das Kreuz. Und die, die gerade noch mit Palmwedeln winkten, werden am Freitag “ kreuzigt ihn“ brüllen.
Jesus auf dem Weg zum Kreuz. Der Predigttext für den heutigen Sonntag gehört hier hinein. Es ist ein Gebet Jesu, das er kurz vor seiner Gefangennahme gesprochen hat. Die Jünger waren offensichtlich dabei, Jesus hat sie mithören lassen – das Gebet war für ihn etwas sehr persönliches, aber nichts geheimes.

Er hat sich nicht geniert, wenn er mit seinen himmlischen Vater gesprochen hat. Wir sind da heute deutlich vorsichtiger, wagen es vielleicht nicht einmal offen zuzugeben, dass wir überhaupt beten.

Wir hören den Predigttext aus dem 17. Kapitel des Johannesevangeliums:
So redete Jesus, und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche;
6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.
7 Nun wissen sie, daß alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.
8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, daß ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, daß du mich gesandt hast.

Liebe Gollhöfer,
in diesem nicht ganz leicht verständlichen Ausschnitt aus dem Gebet Jesu sagt er in einem sehr kurzen Sätzchen, was er in der Welt gemacht hat: ich habe deinen Namen den Menschen offenbart. Gott hat also einen Namen – das klingt vielleicht auf den ersten Blick ganz banal, ist es aber nicht: Wer einen Namen hat, den kann ich ansprechen, der ist mir ein Gegenüber.

Mit anderen Worten: Jesus hat den Menschen Gott einmal richtig gezeigt. Hat ihnen vom Willen des himmlischen Vaters erzählt; hat von seiner unglaublichen Liebe zu den Menschen erzählt ; hat als Zeichen dieser Liebe Gottes Menschen geheilt und sie von ihren Sünden losgesprochen.
Gott hat ja viele Namen.
Dem Mose beim Dornbusch hat er sich bekanntgemacht als “ ich bin der ich bin“, als der Gott der mitgeht.
Für viele Israeliten ist er der Gott der Väter.
Der König David hat diesen Gott anscheinend vor allem als Guten Hirten erfahren.
Jesus hat den Menschen den Namen Gottes noch einmal ganz neu mitgeteilt und gezeigt: Eben der Gott der vergibt,  der heilt, der versöhnt. Und als Christ glaube ich, dass diese Namen, die Christus uns kundgetan hat, die „eigentlichen“ Namen Gottes sind.
 
– Gott mit einem Gesicht –

Durch Jesus Christus hat Gott für uns Menschen einen Namen bekommen, ein Gesicht, ein Profil. Bei ihm weiß ich, woran ich bin, weiß von seinen Verheißungen und auch von seinen Geboten.

  • Ganz anders sieht es aus, wenn ich mir so manche fernöstliche Religion angehe. Da gibt’s keinen Gott mit einem Namen oder einem Gesicht, auf den ich mich verlassen könnte. Die endlose Tretmühle der Wiedergeburt im Hinduismus, wo ich immer genau das ausbaden muss, was sich im vorherigen Leben verzapft habe, das ist kein Gott, das ist ein gesichtsloser Albtraum.
  • Oder wenn ich mir den Umgang der Nazis mit dem, was sie die Vorsehung nannten, anschaue: das war wohl eher ein beliebig aufblasbarer Taschenspielergott, den man je nach Bedarf für die eigenen Zwecke hervorziehen konnte. Dieser Gott hatte keinen Namen, in dieser Zeit gab es andere Namen, die zählten.
  • Und heute? Da wird ganz gerne Gott und Schicksal in einen Topf geworfen: „Das Schicksal hat so gewollt“. Was soll das bloß heißen? Da kann ich doch gleich Zufall sagen. Denn das sogenannte Schicksal hat mir noch keiner gezeigt oder erklärt geschweige denn, dass mir jemand sagen konnte ob das Schicksal überhaupt irgendeinen Plan mit mir hat. Von daher erscheint mir das Schicksal sowohl gesichts- und namenlos als letztlich überhaupt kopflos.

Jesus sagt: Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart – allein durch Jesus kennen wir Gott als liebevollen Vater, der sich um uns sorgt und auch unsere Sünde vergibt.

 – Weitergeben –

Dieses Gebet, um das im Predigttext geht, spricht Jesus kurz vor seinem Tod. Kurz bevor seine Jünger allein ohne ihn zurückbleiben. Und in diesem Gebet Jesu wird auch deutlich welche Aufgabe seine Jünger haben werden:
Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben und sie haben sie angenommen.  Sie sollen die Botschaft weitertragen. Sie haben ab jetzt die Aufgabe, den Namen Gottes bekannt zu machen: Von diesem liebevollen Gott zu erzählen – das Evangelium zu verkünden.
Eigentlich ein unmöglicher, unerfüllbarer Auftrag, den sie letztlich auch nur durch den Beistand des Heiligen Geistes schaffen können. Von ihnen ist in dieser Auftrag auf uns alle Christen übergegangen – nicht nur auf die Pfarrer. Wir sollen das Erhaltene weitergeben an die Generationen nach uns und auch an die Menschen um uns herum..

    –  Beispiel der Ersten Christen –
Ganz eindrücklich finde ich, was die Christen in den ersten Jahrhunderten gemacht haben. Da gab es bei der Taufe von Erwachsenen die so genannte „Traditio“. (Sie merken, dann kommt das Wort Tradition drin vor).
Wenn sich jemand entschieden hatte, Christ zu werden, dann wurde ihm einige Zeit vor seiner Taufe feierlich das Glaubensbekenntnis vorgesprochen. In der folgenden Zeit, und oft war das ein ganzes Jahr, machte er sich mit dem Glauben und dem Gottesdienst vertraut. Liebe Konfirmanden und Präparaten – so etwas müsste euch eigentlich bekannt vorkommen…

Nach dieser Zeit kam in der Osternacht dann der große festliche Gottesdienst: er sprach zusammen mit den anderen Täuflingen das Glaubensbekenntnis, dass er ein Jahr zuvor gehört hatte. (So etwas Ähnliches kennen manche Konfirmanden noch als Konfirmanden-Prüfung). Danach wurde er getauft.
Der Glaube, das Vertrauen auf diesen Gott der einen Namen hat, dass kann man nicht vererben. Das muss man weitergeben, das will erlernt, ausprobiert und eingeübt werden.

 – Die Problematik –

Das ist aber gar nicht so einfach. Die Muttersprache erlernt man ziemlich zügig  und zuverlässig, der Bauernsohn rumpelt schon mit zwei Jahren auf seinem Plastik-Bulldog über den Hof – aber dem Glauben lernen? Im Konfirmanden-Unterricht damit anzufangen wäre zu spät.
Aber gerade im städtischen Bereich merkt man, dass christliche Traditionen abbrechen, das die Kinder aus dem Elternhaus manchmal gar nichts mehr mitbringen. Manchmal selbst dann nicht, wenn die Eltern sich eigentlich ernsthaft als Christen verstehen.
Vielleicht liegt es daran, dass der Glaube so sehr als Privatsache gesehen wird, dass er ganz in der Innerlichkeit verschwindet – dass man von außen zu gut wie nichts davon mitbekommt. Wenn der Papa nur alleine im stillen Eckchen betet, damit es keiner mitbekommt, wie soll die Tochter dann das lernen? Da helfen dann auch pädagogische Erklärungen über den lieben Gott nicht besonders viel.

Sie kennen vielleicht die ultimative Erzieher-Weisheit: „Erziehung ist sinnlos, Kinder machen sowieso alles nach“.
Ich glaube, und sage mir das auch immer wieder selber: Wenn ich meine Beziehung zu Gott auch mal nach außen erkennen lasse, in meinen Worten und in meinem Handeln, dann bin ich auf dem besten Weg den Auftrag der Jünger Jesu zu erfüllen.

 – Der Mehrwert –

Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben und sie haben sie angenommen.  Es lohnt sich, das Evangelium weiterzusagen.
Nicht unbedingt wegen der Moral im Land – das würden Philosophen und Ethiker auch irgendwie hinkriegen.
Nicht unbedingt weil die Kirche aufrechterhalten werden muss – wenn die verschwindet, haben Archäologen der kommenden Zeiten wenigstens etwas zu tun.
Sondern weil der Glaube ein Schatz ist für denjenigen, der ihn hat. Zuversicht, Kraft und Hoffnung, ziehe ich aus meinem Glauben an diesen Gott,  den Christus uns bekanntgemacht hat.

Und wenn ich meinen Kindern, Enkeln oder Bekannten davon weitergebe, mache ich Ihnen eigentlich ein großes Geschenk.

Man hat was davon! Gestern habe ich im Seniorenkreis die Aufzeichnungen von Pfarrer Stahl über die Schreckenstage Anfang April 1945 gehört.
Und an einer Stelle kam mir dieser Predigttext wieder in den Kopf. Die Eintragungen vom 7. April, dem Tag nach den schlimmsten Angriffen enden mit folgenden zwei Zeilen:“ Unsere einzige Zuflucht ist und bleibt unser treuer Gott. Gott sei Dank, dass man das aus dem Mund so vieler unserer Heimgesuchten hört.“
Und der Friede Gottes welche höher ist das alle Vernunft, bewahre eure  Herzen und Sinne in Christus Jesus.
AMEN

Hinweis:goll_zerk Am 6. April 1945 wurde das Dorf Gollhofen durch amerikanische Streitkräfte beschossen und weitgehend zerstört. Die Predigt nimmt am Ende Bezug auf diese Katastrophe.

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