Predigt: Jesus hinterlässt keine Waisenkinder (Johannes 14, 15-19 ) 27. Mai 2001

Liebe Gemeinde,

wir haben den Sonntag nach Himmelfahrt. Ich weiß nicht, wie es den Jüngern wenige Tage nach der Himmelfahrt Jesu gegangen ist. Ich kann es nur vermuten.
Sie haben einen Abschied der ganz seltsamen Art hinter sich. Jesus hat sich vor ihnen und von ihnen verabschiedet, und ist davongegangen, weg aus ihrer Welt, zurück zum Vater. Damit war er weg. Vor wenigen Wochen war da dieser erste Abschied bei der Kreuzigung. Nach Ostern waren sie froh, dass Jesus auferstanden war. – Und jetzt erneut ein Abschied.

Nur wenige von uns sind Freunde von Abschieden. Die Aussicht, dass jemand weggeht macht oft traurig. Da sucht man dann oft nach irgendwas, was den Abschied weniger einschneidend erscheinen lässt. Man sagt: „Ich besuche euch ja im nächsten Jahr wieder“. Oder man erinnert sich dessen dass wir ja in einer modernen Welt leben, im globalen Dorf: Da kann man sagen: „wir telefonieren mal wieder, ich bin ja nicht aus der Welt“.

Das hat den Jüngern damals nicht geholfen: Nicht nur, dass sie nicht telefonieren konnten: Jesus war nun ja wirklich aus der Welt verschwunden. Sie müssen damit auskommen, dass Jesus für sie nicht mehr unmittelbar zu Verfügung steht; sie müssen sich darauf einrichten nun als Jesu Nachfolger auf eigenen Beinen zu stehen.

Im Johannesevangelium finden wir sehr ausführlich geschrieben, was Jesus noch vor seiner Kreuzigung ihnen mit auf den Weg gegeben hat … für die Zeit nach seinem Weggang. Schon am am Himmelfahrtstag war ein Teil dieser Reden Thema der Predigt. Heute noch einmal:

Joh 14, 15-19
Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.
Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster  geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit: den  Geist der Wahrheit,
den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.
Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.
Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen.  Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.

Liebe Gollhöfer:

um ein Abschiedsgeschenk geht es in dieser Abschiedsrede Jesu. Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen. Jesus lässt seine Jünger – und in ihrer Nachfolge ja auch uns – nicht mit leeren Händen stehen. Nein, er sagt nicht: „ich rufe mal wieder an“. Er sagt auch nicht: „wenns brenzlig wird, kann ich schon mal wider vorbeikommen“. Aber er verspricht ihnen den Geist der Wahrheit. Den wird Gott senden. Auch in der Evangelienlesung war davon die Rede.

Der Geist, den Jesus verheißt, ist ein großes Thema im Johannesevangelium. Vom Geist der Wahrheit, vom Tröster, vom heiligen Geist ist da die Rede. Aber wie soll man sich ihn vorstellen? Jesus äußert sich da für uns unbefriedigend knapp. Er gibt uns kaum eine Hilfe, den Heiligen Geist uns vorzustellen. Vielmehr erklärt er, was dieser Heilige Geist soll, wie er wirkt, wozu er da ist. – Und das ist ja auch das, was für die Jünger wichtig ist; nicht das was da zu diesem Begriff in unseren Köpfen herumgeistert.

Ich möchte mit ihnen die drei Eigenschaften oder Wirkweisen dieses Geistes betrachten, die im heutigen Predigttext genannt sind:

Der Geist der Wahrheit:
Der Geist der Wahrheit – so nennt Jesus diesen Geist. Der Geist Jesu Christi führt in die Wahrheit. Bei Geist assoziieren wir ja oft etwas unbestimmtes, nebulöses, weder Fisch noch Fleisch. Etwas, was unvorhersehbar ist, vielleicht auch beängstigend – auf jeden Fall etwas, was nicht allzusehr vertrauenswürdig erscheint.
Aber der Geist, von dem Jesus spricht heißt: Der Geist der Wahrheit.
Dieser Geist ist durch die Wahrheit Jesu festgelegt – sozusagen geeicht auf Gott hin. Also nichts mit diffusen Wabbern: Wenn vom Geist Gottes die Rede ist, dann gehts um den unmittelbaren Brückenschlag Gottes zu den Menschen.
Wenn es heißt: Der Geist weht wo er will, dann steckt da die Erfahrung drin, dass wir Menschen nicht beliebig die Erfahrung mit dem Geist Gottes produzieren können. Aber derjenige, der am anderen Ende des Brückenschlages steht ist immer der eine Gott.

Die Versuchung liegt schon nahe, dass wir vom „Geist Jesu“ so reden wie vom „Geist von Olympia“ oder vom „Geist von Woodstock“ oder im „Geiste unser Gollhöfer Vorfahren“. Aber das ist etwas anderes. Damit meint man ja eine Geisteshaltung, eine Einstellung, oder neudeutsch einen „Spirit“. Der Geist Gottes ist keine Kopf-mäßige Modeerscheinung wie unsere Geistesströmungen.
Und auch nicht so, dass die Jünger sagten: „Naja, jetzt ist Jesus weg … jetzt machen wir halt in seinem Geist weiter“. Das würde ja letztlich heißen, wir machen es so, wie wir meinen, dass es passt. – Das wäre aber eine furchtbare Einbahnstraße! Jesus lässt seine Jünger einfach mal nach deren Gutdünken machen; mal sehn ob es klappt.

Jesu spricht von einem Geist, der von Gott kommt, der verankert ist bei Gott. Keine fromme Welle, sondern letztlich Gottes Führung, indem er den Christen richtige Gedanken, richtige Entscheidungen aufs Herz legt.
Geist und Welt
„Und wie soll das bitteschön gehen“, fragt mich ein kritischer Zeitgenosse.
Und wenn er auch noch ein bisschen spitzfindig ist, würde er mich auch noch fragen, on wir Christen vielleicht nur noch vom Heiligen Geist gesteuerte Marionetten sind.
Diesen mehr oder weniger netten Menschen würde ich schon versuchen zu erklären, wie ich mir das vorstellen kann – wobei ich selbst ja auch offene Fragen habe. Aber in einer Hinsicht würde ich mir keine Illusion machen: Wirklich verstehen kann er es nicht, denn so etwas muss man im Glauben erfahren.
Jesus spricht vom Geist der Wahrheit,  den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Vielleicht klingt dieser Satz ein bisschen arrogant und exklusiv. Im Johannesevangelium finden wir immer wieder diese Trennung von denen, die auf Christus vertrauen, und denen, die ihn ablehnen – der Welt also.
Aber um diese Unterscheidung kommt Jesus hier nicht herum:
– Wer nicht im Glauben steht, kann es nicht erleben, wie Gott in sein Leben eingreift, ihn neue Einsichten schenkt.
– Wer sich nie an Gott in seiner Not wendet, wird auch nicht erfahren, wie es ist, wenn man von Glauben her Trost und Mut bekommt.
– Wer sich nie etwas von Gott erbeten und erhofft hat, wird wohl auch nie das, was er bekommt und was er hat als Geschenk Gottes verstehen können.

Da entzieht sich das Wirken des Geistes einem sezierenden Zugriff von Außen. Für Außenstehende sieht es dann doch nebulös und beliebig aus, wie Christen durch den Geist Gottes angerührt und geführt werden. Man muss die Erfahrung einfach selbst gemacht haben.
Der Geist der Wahrheit, der Gott den Jüngern sendet, soll sie auf dem Weg weiterführen,  den sie mit Jesus gegangen sind. Wenn Jesus ihnen sagt: Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten, dann wissen sie zwar die Marschrichtung, aber bei konkreten Problemen und Entscheidungen stehen sie – wie wir auch heute – vor der Frage: „Was sollen wir tun, welche Entscheidung ist die im Sinne Jesu?“ Das gibt es Momente, in denen steht man wirklich zwischen zwei gleichguten – oder meistens zwei gleichschlechten – Möglichkeiten. Da hilft dann oft das ganze Nachdenken nichts mehr; da ist dann für mich die Bitte um den Heiligen Geist besonders wichtig, dass durch diesen Geist der Wahrheit dann doch die richtigen Entscheidungen gefällt werden.

Der Tröster
Ein dritter Punkt: Jesus spricht in unserem Predigttext auch vom Tröster, den er schickt.  Tröster – Als Luther das griechische Wort „Paraklet“ so übersetzt hat, war er offensichtlich selber nicht so ganz zufrieden. Ich habe in Lutherbibel von 1545 nachgesehen: Dort hat er an den Rand seiner Übersetzung neben das Wort Tröster eine Erklärung geschrieben: „Paracletus heisset ein Advokat, Fürsprecher und Beistand vor Gericht, der den Schuldigen stärkt und hilft“
Der Geist ist also auch Beistand; einer der hilft und einfach da ist, wo man sonst allein wäre. Zuvor war Jesus für seine Jünger da gewesen, jetzt ist der Heilige Geist derjenige, der sie die Nähe Jesu Christi spüren lässt, damit sie merken, dass sie nicht alleingelassen sind.
Wie das passiert kann ganz unterschiedlich sein. Gott nutzt viele Wege, um uns seine Nähe spüren zu lassen.
– Manchmal gebraucht er andere Menschen dafür, den er mir über den Weg schickt.
– Ein anderes mal ist es die Tageslosung, die mir die Gewissheit gibt: Gott denkt an dich.
– oder ich spüre einmal den Rückenwind des Geistes, der mich in meinem Glauben weiterbringt
– oder oder oder.
Manchmal ganz unauffällig, manchmal merkt man es deutlicher. Gottes Geist ist am Wirken in seiner Gemeinde: Christus hat uns, seine Jünger nicht als Waisen zurückgelassen.

Amen

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