Predigt mit Anspiel zum 450-jährigen Jubiläum der Reformation in Gollhofen 30. Juni 2002

Anspiel: Reformation in Gollhofen

Sprecher
Wir möchten Ihnen davon erzählen, wie es vor sich ging, dass Gollhofen evangelisch wurde.

Dazu reisen wir zunächst in das Jahr 1528, in das Arbeitszimmer von Erbschenk Karl von Limpurg; dem Herrn von Gollhofen, Sommerhausen, Lindelbach und etlichen anderen Ländereien.
Luthers 95 Thesen sind gerade einmal elf Jahre alt. Aber dennoch hatte sich die Lehre der Anhänger Luthers schon weit in Deutschland verbreitet. Damals durfte nicht jeder Mensch selbst entscheiden, ob er evangelisch oder katholisch sein wollte. Der jeweilige Landesherr hatte das Sagen. Wenn der Fürst, Markgraf oder Landesherr beschloss, dass es besser sei evangelisch zu sein, wurde das einfach in die Tat umgesetzt – und diese Entscheidung galt für sein ganzes Herrschaftsgebiet. Wer regierte, der bestimmte auch die
Konfession seiner Untertanen. Und so wurden nach und nach viele deutsche Landstriche evangelisch.

So auch die Markgrafschaft Ansbach – anno 1528 eben. Als der katholische Erbschenk Karl auf seiner Residenz in Eisersheim davon hörte, was in seinem Nachbarland geschah, war er wenig begeistert.

Karl:
(liest einen Brief, schüttelt den Kopf)
So ein Unsinn! Jetzt laufen auch noch die von Ansbach zum Luthertum über.  Nicht zu fassen!
Haben die denn vergessen, was für Ärger der Luther uns eingebrockt hat. Vor drei Jahren erst hatten wir jede Menge mit diesen aufrührerischen Bauern zu tun. So ein Aufstand, wollten mehr Rechte und weniger Pflichten – und der Luther ist Schuld – er hat doch diese seltsamen Schriften verfasst: “ von der Freiheit eines Christenmenschen“, “ von der weltlichen Obrigkeit, und
wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“. Das konnte ja nicht gut gehen.

Was habe ich dafür Kummer gehabt, mit diesen Aufständischen! Erst als ich die Anführer beseitigt hatte, ist wieder Ruhe eingekehrt. Dieser neue Glaube bringt doch nur Ärger. Nein… ohne mich!

Erzähler:
Wahrscheinlich hat es eine gewisse Zeit gedauert, bis dem Erbschenken Karl von Limpurg deutlich wurde, dass es bei der Reformation Martin Luthers um das rechte Verständnis des Evangeliums ging – und nicht um einen politischen Aufstand.
Vielleicht hat Luthers Ablehnung der blutigen Bauernaufstände viel dazu geholfen.

In der Nachbarschaft konnte Karl sehen, wie sich der evangelische Glaube entwickelte. Langsam aber sicher war auch er von der Reformation angetan. Aber konnte er als kleiner Landesherr mit nur wenigen Ländereien einfach so die Reformation einführen? Oder war es ihm vielleicht wichtig, es sich nicht mit den mächtigen Bischof in Würzburg, oder gar mit Kaiser Karl zu verscherzen? Wir wissen es nicht, wir waren nicht dabei.
Aber einige Randnotizen der Geschichte gibt es doch:

Karl:
(liest wieder einen Brief, läuft nachdenklich hin und her)
Ach, ihr lieben Untertanen, wir macht es mir wirklich nicht leicht. Jetzt wollen die in Sommerhausen nicht mehr ihren Zehnten an den katholischen Pfarrer zahlen. Eigentlich haben sie gar nichts gegen den armen Kerl. In Wirklichkeit wollen sie das Papsttum weg haben.
Sie wollen einen evangelischen Pfarrer. Irgendwie kann ich sie ja verstehen.
Denn was die Lehren der Evangelischen angeht, so finde ich sie ganz sinnvoll und der Bibel entsprechend.

Na, da werde ich wohl mal einen Brief an den Rat von Sommerhausen schreiben:
(greift zur Feder)
Geehrte Herren, so es euch ein dringendes Anliegen ist, einen Pfarrer zu haben, der euch das Evangelium unverfälscht predigt, so will ich euch bei Gelegenheit einen senden, und euch herzlich bitten, ihm dann auch wieder den vereinbarten Zehnten zu zahlen. Wenn ihr denn nun einen evangelischen fordert, so soll es mir recht sei
Mit gnädigen Gruße
Erbschenk Karl von Limpurg

Erzähler:
So wurde ganz langsam Ort für Ort in den Limpurgischen Landen evangelisch.
Und auch unser Erbschenk Karl wurde zum entschiedenen Verfechter der Reformation. Und als 1551 Kaiser Karl einen Brief nach Einersheim schickte und ihn ermahnte, zum Katholizismus zurückzukehren, ignorierte er ihn einfach.

Gollhofen war bis dahin immer noch Sitz des katholischen Priesters Kaspar Spannkuch. Aber so etwas kann sich ja von heute auf morgen ändern…

Karl:
(liest amüsiert einen Brief, ein Geldsack steht auf dem Tisch)
Ach, der Pfarrer von Gollhofen ist über alle Berge? Aus seinem Pfarrhaus einfach so ausgezogen? Nein, wo gibt es denn so was?
(Liest weiter)
Das ist ja erschreckend! Kommen da einfach so wilde hessische Reiter-Gesellen und ärgern dem Pfarrer? So sehr, dass er Gollhofen verläßt – na so eine Mafia…

Der werden wir wahrscheinlich einen neuen Pfarrer brauchen! Da bietet es sich ja direkt an, dass wir einen evangelischen Pfarrer nehmen. Ich werde mich sofort darum kümmern.

Erzähler:
Verehrter Erbschenk Karl,
darf ich euch etwas fragen?

Karl:
Ja?

Erzähler:
was ist eigentlich mit diesen Geldsack?

Karl:
(wird etwas verlegen)
Ach … das ist nur ein ausstehendes Gehalt für einige … freiberufliche Mitarbeiter aus Hessen …

Erzähler:
So setzte am 27. April 1552 Erbschenk Karl den Bischof in Würzburg davon in Kenntnis, dass der Gollhöfer Pfarrer Spannkuch durch einen evangelischen Kollegen aus dem schon lange evangelischen Uffenheim ersetzt werden soll.
Die Wahl fällt auf Christoph Zeller. Ein Mann, der wahrscheinlich zehn Jahre zuvor in Wittenberg studiert hat, und dort wohl auch Luther noch selbst getroffen und gehört hat.

Am 12. Mai 1552 wurde Christoph Zeller zum Pfarrer von Gollhofen ernannt. So wurde Gollhofen quasi über Nacht evangelisch.

Predigt

Liebe Gemeinde,

wir haben jetzt gesehen, wie in etwa die Reformation nach Gollhofen kam. Genau genommen haben wir nur mitbekommen, was der Landesherr Erbschenk Karl gedacht und gemacht hat ; die kleinen Leute, die Gollhöfer Bürger blieben irgendwie im Hintergrund.
Wir können nur vermuten, dass die Gollhöfer schon vor der offiziellen Reformation in ihrem Dorf dem Gedankengut des Martin Luther zugeneigt waren. Schließlich ging es um große Freiheiten, um Veränderungen von kirchlichen Herrschaftsstrukturen, unter denen viele Menschen litten.

Was wird sich denn für Gollhofen verändert haben, in diesem Sommer 1552? Was passiert da in einem, wenn man von heute auf morgen evangelisch wird?

Ich denke, dass das, worum es Luther bei der Reformation ging, langsam Stück für Stück in Gollhofen Einzug gehalten hat. Von Sonntag zu Sonntag, von Predigt zu Predigt, von Gespräch zu Gespräch, das Menschen mit dem Pfarrer Christoph Zeller geführt haben, wurde deutlicher, worum es Luther gegangen war.

Ich kann mir vorstellen, dass die Bibel einen neuen Stellenwert in der Gemeinde gewonnen hat. Zuvor war oft der Satz zu hören: „Dies oder jenes gilt, weil es ein Konzil, oder der Papst, oder  ein Bischof so bestimmt hat.“ Für Luther konnte es nur heißen: „Das, was in der Bibel steht, was das Wort Gottes uns sagt, das gilt für uns.“ Nicht die Tradition, nicht andere Personen, auch nicht das was gerade „in“ ist gilt – die Bibel wurde nun zum  alleinigen Maßstab für das, was christlich ist.

Und sicher hat Pfarrer Christoph Zeller über die wichtigste Entdeckung Luthers oft gepredigt: Die Rechtfertigung des Christen allein aus Gnade. In jenen Tagen wurde den Gollhöfern wahrscheinlich deutlich, dass das Ansehen des Christen vor Gott nicht von seinen guten Werken abhängt. Und dass sein Stand vor Gott auch nicht davon abhängt, ob er am Kirchweihtag oder an Barbaratag in der Kirche Sankt Johannis den von Papst Alexander bestimmten Anlass erhalten hat.
Der Grund für Gottes Vergebung liegt nicht in meinem Handeln, sondern im Handeln Jesu Christi, der für uns am Kreuz gestorben ist.

Für uns erscheint das gar nicht neu. Damals, vor 450 Jahren war es für viele sicher nicht leicht, von dem Gedanken Abschied zu nehmen, selbst etwas für sein eigenes Seelenheil tun zu können. Zu hören, dass allein das Vertrauen auf Jesus Christus, der Glaube, uns vor Gottes Augen gerecht macht. Und es war sicher nicht einfach, im eigenen Kopf das Gute, das man tat, nicht als Verdienst vor Gott zu sehen, sondern gleichsam als Dankeschön an seinen Gott. Spenden, gute Taten, ein ehrliches Leben – das alles gehörte zum Christsein weiterhin dazu; aber eben mit einem anderen Stellenwert.

In dieser Hinsicht war für viele Menschen der Umbruch zur Reformation innerlich auch eine kleine Revolution.

Apropos Revolution: Wie sollen wir als evangelische Gollhöfer eigentlich dieses Jubiläum feiern? Als Siegesfeier über den katholischen Gegner? Sollen wir, so wie die türkischen Fußballfans gestern nach dem kleinen WM-Finale mit protestantischen lila Fahnen durch die Straßen ziehen, Autokorsos bilden und „ein feste Burg ist unser Gott“ singen?

(Der Erbschenk vom Anspiel taucht wieder auf, schwnkt eine lila Fahne und singt auf der Melodie einer Fußballhymne: „Ey super Luther, ey, super Luther ….“)

Nein, das geht ganz bestimmt nicht. Denn die Reformation war kein Sieg – ein Stück weit war sie sogar eine Niederlage, weil die Einheit der Christen in Deutschland zerbrochen ist.

Für uns heute geht es nicht um die Frage des Siegs über die anderen, sondern darum, wie wir gemeinsam als katholische und evangelische Christen leben können. Und da sieht es heute in Gollhofen wahrscheinlich besser aus denn je.

Denken wir an unsere Kirche. Wie gut, dass es damals vor 450 Jahren keine Bilderstürmer gab, die den alten Altar niederrissen und das Sakramentshäuschen abbauten. Darum haben wir dieses Sakramentshäuschen noch und auch Teile des alten Altars hängen bei uns im Chorraum an den Seitenwänden. Jeden Abend können wir zwei Glocken läuten hören – die erste zum Engelsgruß an die Maria, die zweite zum Vaterunser. Und unser aktueller Altar wurde über hundert Jahre nach der Reformation von einem katholischen Künstler, Johann Auwera gestaltet.

Auch in anderer Hinsicht sind katholische und evangelische Christen deutlich zusammengerückt. Als ich nach Gollhofen kam, habe ich mich über die vielen engagierten Mitarbeiter gefreut, die wir hier haben. Etliche von ihnen sind ja auch katholisch. Ich sage Ihnen: Wenn manche es mir nicht verraten hätten, hätte ich es nicht gemerkt. Oft auch da nicht, wo wir über Glaubensinhalte gesprochen haben. – Denn auch im Glauben haben Katholische und Evangelische über die Jahrhunderte viel voneinander gelernt und sind sich nähergekommen.

Dass heutzutage evangelische Pfarrer in katholische Klöster gehen, um von der Atmosphäre dort und dem geistlichen Miteinander zu profitieren, das hätte sich Luther sicher nicht träumen lassen. Wenn wir im Weltgebetstag der Frauen uns trauen, dass Kreuzzeichen über uns selbst zu schlagen, und wenn über hundert Evangelische Christen sich in der Thomasmesse in Uffenheim segnen und salben lassen, dann sind wir wirklich auf einem sehr guten Weg.

Und ich freue mich besonders darüber, dass in der katholischen Kirche die große Erkenntnis Martin Luthers inzwischen anerkannt und ernst genommen wird: dass wir als Menschen vor Gott durch unsern Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt sind.

450 Jahre Reformation. Vieles Trennende scheint überwunden.
Wir kommen uns näher, überspielen die noch existierenden Unterschiede aber auch nicht.

Aber mittlerweile sind wir gemeinsam auf den Weg des Glaubens, als Christinnen und Christen in der Nachfolge Jesu Christi.
Als Menschen, in deren Leben der Glaube eine wichtige Rolle spielt.
So soll es auch bleiben.

AMEN

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