Predigt: Das Leben als Achterbahn (Liedpredigt zu EG 112 Auf, auf mein Herz mit Freuden) 16. April 2006, Ostersonntag

Das Lied “Auf, auf, mein Herz mit Freuden” von Paul Gerhardt soll das Thema des heutigen Predigt sein. Wir werden es auf drei Abschnitte verteilt singen. – Daran möchte ich immer einige Gedanken anschließen- Singen wir die ersten beiden Verse

Vers 1+2: Das Große Schauspiel

1. Auf, auf, mein Herz, mit Freuden nimm wahr, was heut geschicht;wie kommt nach großem Leiden nun ein so großes Licht!
Mein Heiland war gelegt da, wo man uns hinträgt,
wenn von uns unser Geist gen Himmel ist gereist.
2. Er war ins Grab gesenket, der Feind trieb groß Geschrei;
eh er’s vermeint und denket, ist Christus wieder frei
und ruft Viktoria, schwingt fröhlich hier und da
sein Fähnlein als ein Held, der Feld und Mut behält.

Liebe Gemeinde.

“Vorhang auf” heißt es in diesem Lied von Paul Gerhardt. In den ersten beiden Versen, die wir gerade gesungen haben, schauen wir quasi auf eine Bühne. Da beginnt gleich ein einmaliges Schauspiel. Und das sagt der, der hier singt, zu sich selber: “Achtung, du Herz, schau dir nur genau an, was da jetzt gleich passiert”.

Das Schauspiel ist ein zwei-Akter. Der erste Akt, der gegeben wird, heißt Karfreitag. Jesus wird ins Grab gelebt. Das scheinbare Ende seiner Karriere als Messias. Seine Feinde triumphieren. Und damit sind wohl nur am Rande die Pharisäer und Schriftgelehrten gemeint. Vielmehr der Tod selber – der Feind des Gottessohns – glaubt seinen Widersacher ein für allemal erledigt zu haben. Die Sektflaschen mit der Geschmacksrichtung Schwefel werden geköpft und es wird schon mal eine Runde eingeschenkt.

Aber es folgt der zweite Akt. Keiner war dabei, keiner kann es sich erklären: Aber Jesus ist wieder frei – er lebt. Er hat den Tod besiegt. Als strahlender Held schreitet er auf die Bühne, in der Hand die Siegerfahne mit seinem Symbol, dem Kreuz.  In Meiner Phantasie tritt er noch einmal mit allen auf die Bühne, mit den Jüngern, die es noch nicht fassen können, und auch mit dem Verbrecher, der zu seiner Rechten gekreuzigt worden war. Denn ihm hat er einen Platz in seinem Himmelreich versprochen. Großer Triumph des wahren Siegers, seine Gegner sind schon von der Bühne verschwunden. Wer zuletzt lacht, lacht am besten .

Damit ist das Schauspiel zu Ende. – Und die beiden ersten Verse auch.  Singen wir darum nun Vers 3-5

 

Vers 3-5: Mir graust vor nichts

3. Das ist mir anzuschauen ein rechtes Freudenspiel;
nun soll mir nicht mehr grauen vor allem, was mir will
entnehmen meinen Mut zusamt dem edlen Gut,
so mir durch Jesus Christ aus Lieb erworben ist.

4. Die Höll und ihre Rotten, die krümmen mir kein Haar;
der Sünden kann ich spotten, bleib allzeit ohn Gefahr.
Der Tod mit seiner Macht wird nichts bei mir geacht‘:
er bleibt ein totes Bild, und wär er noch so wild.

5. Die Welt ist mir ein Lachen mit ihrem großen Zorn,
sie zürnt und kann nichts machen, all Arbeit ist verlorn.
Die Trübsal trübt mir nicht mein Herz und Angesicht,
das Unglück ist mein Glück, die Nacht mein Sonnenblick.

 

Gerade ist das Schauspiel auf der Bühne zu Ende gegangen: Der Vorhang fällt und sind noch Fragen offen?

Paul Gerhard sagt dazu: “Das ist mir anzuschauen ein rechtes Freudenspiel; nun soll mir nicht mehr grauen vor allem, was mir will.”  Für ihn hat das Geschehen an Karfreitag und an Ostern eine ganz klare Botschaft.  Hätte er in Franken statt in Berlin gewohnt, würde Paul sagen: “Wenn ich mir anschau, wie der Jesus mit dem Tod umgesprungen ist, das graust mit vor nichts mehr.”

Es ist Schluss mit der Angst! Um das deutlich zu machen holt er in den drei Versen alles hervor, was ihn als Christen so zu schaffen macht:

~ Die Hölle als Ort, vor der er Angst hat. Deren Rotten, die Dämonen, die er dort am Werke sieht, wo Menschen in ihrem Glauben ins Zweifeln geraten.

~ Die eigenen Sünden, die ihn immer wieder einholen. Das Gefühl, als Christ zu versagen, weil er immer wieder die gleichen Fehler begeht.

~ Der Tod, als das Ende des Lebens und größte Krise: Dort, wo man Menschen, die man liebt verliert.  Bei dreien seiner Kinder war es der Fall, genauso wie bei seiner damals noch jungen Ehefrau.

~ Und überhaupt alles, was an Schrecklichen in dieser Welt geschieht, verliert für ihn angesichts der Ostergeschehens an Gewicht.

Ist plötzlich alles egal? – Man könnte ja fragen, ob Paul Gerhard unter die Haschischraucher gegangen wäre, denen ja auch nach einem Joint alles locker und easy vorkommt. – Dann hätte ja tatsächlich Karl Marx recht, der die These aufstellte, Religion wäre Opium fürs Volk.

Nein – Paul Gerhard leidet angesichts von Ostern nicht an Realitätsverlust. Vielmehr erkennt er in der Auferstehung Jesu eine Realität, die das, was man sonst allgemein für maßgeblich hält, radikal umpolt.

Für Paul gilt: Angesichts der Auferstehung als Grundlage für mein Leben, gewinnen Tod, Hölle, Sünde und das eigene Versagen einen neuen Stellenwert. Denn sie sind nicht das, was mein Leben letztendlich bestimmt. Prägend ist das Ostergeschehen. Und weil Jesus der Sieger ist, ist das, was mir Angst macht, nur Nebensache.

Und er – der ja wirklich viel Schlimmes erlebt hat und darum auch glaubwürdig über Leiden reden kann – wagt es, das auf die Spitze zu treiben, wie wir es im fünften Vers lesen können:   5. Die Welt ist mir ein Lachen mit ihrem großen Zorn, sie zürnt und kann nichts machen, all Arbeit ist verlorn. Die Trübsal trübt mir nicht / mein Herz und Angesicht, das Unglück ist mein Glück, die Nacht mein Sonnenblick.

Singen wir nun die letzten drei Verse:

 

Vers 6-8: Das Leben als Achterbahnfahrt

6. Ich hang und bleib auch hangen an Christus als ein Glied;
wo mein Haupt durch ist gangen, da nimmt er mich auch mit.
Er reißet durch den Tod, durch Welt, durch Sünd, durch Not,
er reißet durch die Höll, ich bin stets sein Gesell.

7. Er dringt zum Saal der Ehren, ich folg ihm immer nach
und darf mich gar nicht kehren an einzig Ungemach.
Es tobe, was da kann, mein Haupt nimmt sich mein an,
mein Heiland ist mein Schild, der alles Toben stillt.

8. Er bringt mich an die Pforten, die in den Himmel führt,
daran mit güldnen Worten der Reim gelesen wird:
»Wer dort wird mit verhöhnt, wird hier auch mit gekrönt;
wer dort mit sterben geht, wird hier auch mit erhöht.«

Liebe Gemeinde,

Im ersten Teil des Liedes hat uns Paul Gerhard in eine Art Schauspiel-Aufführung mitgenommen. Danach hat er mit deutlichen Worten erklärt, was das für sein Verstehen dieser Welt bedeutet.

Uns jetzt wird es – so kommt es mir vor – hochdramatisch: Er steigt mit uns in eine Achterbahn!  Ich stelle mir das fast schon bildlich vor: Paul Gerhard sagt “ich gehöre zu Jesus, hänge an ihm dran, als wäre ich ein Teil von ihm, oder er ein Teil von mir”. Und dieser Jesus nimmt mich Huckepack auf meiner Reise durch mein Leben. Durch ein Leben, das stellenweise etwas von einer Achterbahn oder gar Geisterbahn hat. Eine Reise, bei der Jesus mich mitreißt. Durch Welt und Not, durch Sünd und Tod. Da geht es mitten durch. Es bleibt mir nichts erspart, aber: Ich werde  auf dieser Achterbahnfahrt Huckepack genommen von diesem Jesus, der mich mitreißt – und vor allen niemals auf der Strecke liegen lässt.

Wenn Sie schon einmal Achterbahn gefahren sind, wissen sie, wie es ist dabei herumgerissen und durchgeschüttelt zu werden. Und sie kennen das Gefühl der letzten 20 Meter des Fahrt: Nach dem ganzen Gerumpel und Geschleudere nimmt der Wagen Tempo raus, die Fahrt wird ganz sanft, man landet an der Stelle, wo man dann aussteigt, fast wie auf einer Wolke.

In unserem Lied hat die Lebensachterbahn auch eine Ausstiegsstelle. Ganz sanft wird man da an der Pforte ankommen. Egal, wie wild der Ritt vorher war, letztlich kommt man als einer, der sich an Jesus festhält, doch wohlbehalten an: Es tobe, was da kann, mein Haupt nimmt sich mein an, mein Heiland ist mein Schild, der alles Toben stillt.

Liebe Gemeinde,

vielleicht ist diese bildhafte Vorstellung, die ich  aus diesem Lied herausgehört habe auch einmal ein ganz schlichtes aber doch passendes Angebot, Ostern zu verstehen. Ganz ohne hohe Theologie, die wir da ja oft bemühen.

Da ist einer, der kennt diese alte Szene von Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Und das beeindruckt ihn so sehr, dass er diesem Jesus vertraut und auf dessen Rücken die eigene Achterbahn des Lebens zu bewältigen will. Weil er ahnt: Dieser Jesus hat seine eigene Achterbahn damals auch überstanden, durch gute Zeiten, durch Leiden und sogar durch den Tod hindurch. Und weil er den Tod überwunden hat, bin ich gewiss, mit ihm am Ende auch im ewigen Leben anzukommen.

Amen

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