Predigt: Der Glaube ist und hat eine Sprache (1. Kor 2,12-16) 4. Juni 2006, Pfingstsonntag

Predigttext: 1 Kor 2, 12-16
12 Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.
13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.
14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden.
15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.
16 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen«? (Jesaja 40,13) Wir aber haben Christi Sinn.

Liebe Gemeinde,
zwei Zeilen aus unserem Predigttext möchte ich Ihnen noch einmal vorlesen: “Davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden.” – Alles klar?

Falls Sie sich mit dem Verstehen ein bisschen schwer tun, sind Sie in guter Gesellschaft – denn der Apostel Paulus präsentiert uns hier schon eine kräftige Portion von theologischen Fachchinesisch.

Und das Besondere: Er spricht – so erscheint es mir – in diesem Fachchinesich über das Problem des theologischen Fachchinesisch. Er spricht in einer Sprache, die niemand versteht über das Problem, dass ihn keiner versteht … mit dem Ergebnis dass ihn sowieso wieder keiner versteht.

Das Problem der unterschiedlichen Sprache

Liebe Gemeinde, was ich hier etwas karikiere hat einen ganz ernsthaften Hintergrund, nämlich das Problem, unserer Sprache. Wir sprechen nicht alle die gleiche, und darum tun wir uns manchmal schwer, uns gegenseitig zu verstehen. Und dazu brauche ich nicht erst ins Ausland gehen. Sprachunterschiede gibt es hierzulande genug.

Da gibt es die Fachsprachen. Der Computerexperte spricht von Firewall, USB und Festplattenpartition  – und er Laie wird blass. Der Arzt erzählt vom Hämatom, einer partiellen Läsion und einem viel zu hohen Gamma-GT-Wert  im Blut, und ich als Patient verstehe Bahnhof. Der Landwirt spricht vom Kleberanteil und Sedimentationswert und der Nachbar sieht spätestens bei der Nematodentoleranz der Zuckerrübe nur noch Fragezeichen.

Ähnlich verwirrend kann es mit den Dialekten sein. Beim Urlaub an der Nordsee erleben wir Franken immer wieder Überraschungen – und umgekehrt wähnt sich so mancher Norddeutsche bei uns sprachlich schon im Ausland.

Aber denken wir nicht nur an Worte und Begriffe: Sprache ist mehr!

Musik ist auch eine Sprachform.  Der eine schätzt die klassische Musik, kann innerhalb einer Symphonie die darin enthaltenen Spannungen, Konflikte, Harmonien und Bewegungen erkennen und fühlen. Schwärmt von Bachs Toccata und Fuge in D-Moll und erklärt , wo sich in Beethovens 6. Sinfonie das Landleben zu Wort meldet. Ein anderer kann mit so etwas gar nichts anfangen, für ihn ist das alles das gleiche Gedudel. Darum hat er beim letzten Eurovisions- Wettbewerb für die Gruselschocker-Hardrockband Lordi gestimmt – das ist nämlich Musik, die fetzt und ihn vom Hocker haut. Es bleibt zu hoffen, dass beide nicht gemeinsam in einem Aufzug stecken bleiben.

Wo sich unsere Sprachen unterscheiden, da ist es mit der Verständigung schwer. Da missversteht man sich schnell oder versteht den Anderen gleich überhaupt nicht. Da geht es eben nicht nur um Worte, die man einfach übersetzen kann, sondern darum, dass mit dieser Sprache eben viel mehr und Tiefergehendes verbunden ist. Mit der Sprache, die man spricht ist auch ein bestimmtes Denken und Weltverstehen verbunden.

Der Glaube hat und ist  eine eigene Sprache

Und an dieser möchte ich wieder zu dem zurück, was in unserem Predigttext passiert. Hier sagt Paulus etwas über den Glauben und seine Sprache. Dazu möchte ich den Satz von vorhin einmal in eine Sprache übersetze , wie wir sie in einer Predigt gewohnt sind:

Vom Glauben reden wir nicht in einer Sprache der menschlichen Logik, sondern in der Sprache, die mit Gott rechnet; und die für Leute da ist, die mit Gott rechnen. Der Mensch, der nicht glaubt, wird diese Sprache nie verstehen und sie für unsinnig halten.

Ich meine: Unser Glaube hat seine eigene Sprache und er ist sogar eine eigene Sprache.

Das fängt ganz harmlos an. Da haben wir Begriffe, die haben nur im Glauben einen Sinn und können nur durch ihn verstanden werden.

Zum Beispiel der Begriff “Wunder”. Man kann es missverstehen als eine Form von “Zufall”, von  “Glück gehabt” oder was auch immer. Wirklich verstehen kann man ihn aber nur aus dem Glauben heraus, wo ich das Wunder als Ereignis verstehe, wo etwas Gutes, etwas Wunderbares, geschieht – weil Gott es uns geschenkt hat.

Auch “Hoffnung” klingt in der Sprache des Glaubens anders als in der Sprache des Mathematik. Es liegt ein Unterschied darin, ob ich einfach entsprechend mathematischer Wahrscheinlichkeit erwarte, dass etwas Bestimmtes passiert; oder ob ich von Gott erhoffe und erbitte, dass sich etwas tut.

Natürlich ist in beiden Fällen nicht garantiert, dass das Erhoffte passiert, aber ich merke “hoffen” und “hoffen” sind wirklich zwei Paar Stiefel.

Die Sprache des Glaubens verstehen

Liebe Gemeinde, ich bin überzeugt: Es geht um mehr als nur um Bedeutungsfeinheiten bei bestimmten Begriffen, die mit Glauben zu tun haben.

Eine Sprache “können” bedeutet: Ich verstehe, was in dieser Sprache ausgedrückt wird. Ich kann den Lauten, die jemand von sich gibt, einen Sinn oder eine Bedeutung entnehmen. Wenn ich die Sprache der Hunde nicht verstehe, höre ich nur “Wau wau”, aber weiß aber nicht, was da gespielt wird. Wenn ich den Hund gauzen höre, wundere ich mich über den komischen Klang, aber weil ich ihn nicht verstehe, messe ich ihm keine Bedeutung zu und gehe darüber hinweg. – Vielleicht wäre es ja wichtig gewesen – aber ich versteh́s ja nicht – und ich erfahre nicht, dass der Hund mir sagen wollte “im Keller ist die Wasserleitung geplatzt und die Kühltruhe schwimmt 20 cm unter der Decke”.

Tragisch, wenn man Wichtiges verpasst, weil man die entscheidende Sprache nicht beherrscht.

So frage ich mich: Kann ich den Sonntag wirklich ohne den Glauben verstehen? Oder bleibt mit das Entscheidende verborgen, weil ich ihn nicht verstehe, wenn er mir zuflüstert, dass er als Ruhetag ein Geschenk Gottes an uns ist?

Kann ich die Schöpfung verstehen, wie sie ihren Schöpfer lobt, und mir durch ihre Nähe zu ihm auch mitteilt: Pass auf mich auf, ich gehöre dir nicht, sondern ich bin nur Leihgabe, die du bebauen und bewahren sollst.

Bin ich in der Lage, die Regungen in meinem Gewissen zu entschlüsseln, die mir als gutes oder schlechtes Gewissen meinen Weg weisen wollen?

Wer die Sprache des Glaubens nicht kennt, der ist taub für viele wichtige Dinge unseres Daseins. In der Sprache des Paulus heißt es “Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen”

Pfingsten als Hoffnungszeichen

Das klingt tragisch – und ist es wohl auch. Wenn Menschen mit den Glauben nichts am Hut haben, die Sprache des Glaubens nicht kennen gelernt haben, wenn sie vieles nicht verstehen, nicht mitempfinden können.

Da könnte man ja manchmal verrückt werden, wenn einem selbst eine Sache des Glaubens ganz wichtig und auch klar erscheint, und der andere steht nur da und zuckt teilnahmslos mit den Schultern. Da kann man erzählen und erklären und es hilft nichts.

Ja … so ist es bei den Fremdsprachen. Die fliegen einem nicht einfach zu ….

Moment mal – wir haben ja Pfingsten.

Und wenn wir uns das so betrachten hatten die Jünger Jesu das gleiche Problem: Die Anderen hatten von deren Glauben keine Ahnung. Und noch schlimmer: Die konnten mit dem Aramäisch der Jünger nichts anfangen, weil sie ganz andere Muttersprachen hatten.

Und da geschah das Wunder: Verstehen wurde möglich – der heilige Geist als Vermittler, als Dolmetscher für etwas, was wir eigentlich gar nicht übersetzen können. – Und siehe da, die Menschen fingen Feuer für den Glauben und verstanden die Sprache des Glaubens.

Es ist schon verrückt: Durch den Heiligen Geist passiert etwas, was nach logischem Denken – auch nach dem, was ich gerade enttäuscht konstatiert habe – gar nicht geht.

Aber möglich ist es für Gottes Geist offenbar doch – da ist in der Welt des Glaubens ja doch vieles möglich. Und bekommen ich doch wieder Mut, den Glauben weiterzusagen – zu erzählen, wie ich die Dinge sehe.

Auch wenn ich weiß, dass vieles, was mir im Glauben wichtig ist, für Außenstehende nicht unbedingt einleuchtend ist, so will ich es dennoch weitersagen.

Denn das Pfingstfest lehrt mich, immer damit zu rechnen, dass Gottes Geist es möglich macht: Dass einem, der bisher über meinen Glauben gelächelt hat, dann doch einmal ein Licht aufgeht.

Amen

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