Predigt: Vergebung und Verantwortung (2. Samuel 12) 3. August 2008

Liebe Gemeinde,

Der Predigttext für heute steht im 2. Samuelbuch. Er beschreibt eine Szene im Palast von König David. Darin kommt der Prophet Nathan zu einer Audienz des Königs. Offenbar möchte der Prophet dem König einen Streitfall zwischen zwei Bürgern vorstellen und erbittet von David ein Urteil:

2. Sam 12, 1-10.12-15a

12,1  Und der HERR sandte Nathan zu David. Als der zu ihm kam, sprach er zu ihm: Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm.
12,2 Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder; 12,3 aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, daß es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und er hielt’s wie eine Tochter.
12,4 Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam,  brachte er’s nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war, sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.
12,5 Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt: der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat!
12,6 Dazu soll er das Schaf  vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat.

 

Liebe Gemeinde,

bei König David geht es anders zu als bei Fernsehrichterin Barbara Salesch: Kurzer Vortrag der Angelegenheit beim König als obersten Richter des Landes – kein Anwalt – selbst der Beklagte muss nicht vorgeführt werden. Die abscheuliche Tat des reichen Mannes spricht allein schon Bände. Und so fällt König David postwendend sein hartes und gerechtes Urteil:
Der Täter wird zu Tod verurteilt, aber zuvor muss er vierfach Schadensersatz leisten. – Fertig!

Na gut, das klingt schon sehr drakonisch, aber auf diese Weise versucht David Recht und Ordnung im Staat Israel aufrecht zu erhalten.
Er ist der König, er ist das Recht. – So versteht er sich.
Aber das ist nur die eine Hälfte der Medaille. König David, der hier so vehement für Recht und Ordnung einsteht, hat selber Dreck am Stecken. – Und die Affäre hat einen Namen: Bathseba.

Die schöne junge Nachbarin – verheiratet mit Uria, einem Soldaten des Königs. David hatte sie beim Baden beobachtet, sie schien ihm eine Sünde wert. Ihr Mann war ja für David im Krieg, und dieser spielte seine Macht und seinen Charme aus, um sie ins Bett zu bekommen. Und als sie von ihm schwanger wurde, nutzte der König wiederum seine Möglichkeiten, um Bathsebas Mann unschädlich zu machen. Ehebruch und Mord – zwei kapitale Verbrechen, die ihn nicht nur seine Stellung als König, sondern auch den Kopf hätten kosten können. Wenig später heiratete er die Witwe, die gebar ein Kind und keiner konnte ihm etwas nachweisen.

So ging alles seinen gewohnten Gang – der Skandal blieb aus. Kein Richter musste sich mit seinem Fall beschäftigen. Und er blieb weiterhin in der Rolle des Königs und Rechtsprechers. Und dieser Fall, den Nathan ihm vorlegte, brachte ihn so richtig in Rage.
Komisch. Die Ungerechtigkeit des anderen bringt ihn auf die Palme, und verdrängt dabei lässig die eigenen Schattenseiten. Oder ist es vielleicht typisch menschlich, dass wir sehr genau wissen, was die anderen falsch machen, aber mit den eigenen Fehlern ziemlich großzügig sind?

David hatte anscheinend keine Skrupel, im Falle dieses reichen Mannes ein hartes Urteil – das Todesurteil zu sprechen. Es war ja auch berechtigt: Dieser Mann hatte aus purem Eigennutz einem Anderen das Liebste, dieses kleine Schäfchen weggenommen. Obwohl er mehr als genug hatte. Skrupellos.

 

12,7 Da sprach Nathan zu David:  Du bist der Mann! So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe dich zum König gesalbt über Israel und habe dich errettet aus der Hand Sauls12,8 und habe dir deines Herrn Haus gegeben, dazu seine Frauen, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazu tun. 12,9 Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, daß du getan hast, was ihm mißfiel?  Uria, den Hetiter, hast du erschlagen mit dem Schwert, seine Frau hast du dir zur Frau genommen, ihn aber hast du umgebracht durchs Schwert der Ammoniter. 12,10 Nun, so  soll von deinem Hause das Schwert nimmermehr lassen, weil du mich verachtet und die  Frau Urias, des Hetiters, genommen hast, daß sie deine Frau sei. 12,11 So spricht der HERR: Siehe, ich will Unheil über dich kommen lassen aus deinem eigenen Hause und will deine Frauen nehmen vor deinen Augen und will sie deinem Nächsten geben, daß er  bei ihnen liegen soll an der lichten Sonne.  12,12 Denn du hast’s heimlich getan, ich aber will dies tun vor ganz Israel und im Licht der Sonne.

„Du bist der Mann” – diese vier Worte des Nathan haben eigentlich schon alles gesagt.

Du bist der, der dem anderen die Frau wegnimmt obwohl er einen ganzen Harem im Palast hat. Du bist der Egoist – der keine Skrupel hat. Und du bist es, der sich selbst das Todesurteil gesprochen hat, ohne es zu merken – weil du vor Selbstgerechtigkeit blind für deine eigenen Fehler geworden bist.

Die ganzen Drohungen des Nathan hört David wahrscheinlich gar nicht mehr. Er ist noch taub von dem inneren Knall, als seine eigene Lebenslüge wie ein riesiger Luftballon zerplatzte. Der König ist nicht besser als ein schäbiger geiziger Großbauer, der den Nachbarn ein Lamm wegnimmt. Der König befindet sich im freien Fall nach unten.

Es sieht so aus, als wäre das der klassische Absturz in die Bedeutungslosigkeit, der Untergang des Königtums dieses David.

Bei den Schülern der 5. Klassen steht das Leben des König David auf dem Lehrplan – auch die Bathseba-Geschichte und der Zusammenstoß mit dem Propheten Nathan.
Immer wieder sagen mir dann Schüler „Jetzt müsste sich David eigentlich selber umbringen, denn schließlich hat er sich ja selbst das Todesurteil ausgestellt”. Keine Frage: Für Schüler mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn ist die Sachlage klar, da gibts auch keinen Promi-Bonus für den König: Gleiches Recht für alle.

Doch Gott sei Dank geht diese Begegnung doch noch anders aus:

12,13 Da sprach David zu Nathan:  Ich habe gesündigt gegen den HERRN. Nathan sprach zu David: So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. 12,14 Aber weil du die Feinde des HERRN durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben. 12,15 Und Nathan ging heim.

David kommt mit dem Leben davon. Gerettet hat ihn seine Einsicht in seine Schuld: „Ich habe gesündigt gegen den HERRN” David redet es nicht klein. Er versucht diesmal nicht, sich zu verteidigen, Bathseba eine Mitschuld anzuhängen oder darauf zu verweisen, dass andere es genauso schlimm treiben. Das alles hätte Gott nicht gelten lassen.
Allein das Eingestehen von Schuld eröffnet ihm die Chance weiterzuleben und umzukehren und sein Leben zu verändern.

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. (1. Petr 5,5) – So lautet der aktuelle Wochenspruch.

Die eigene Schuld einzugestehen, das eröffnet die Chance zur Vergebung, zur Umkehr, zum Neuanfang.

 

Happy End?  Beileibe nicht!
Es bleiben zwei auf der Strecke: Uria, der Mann der Bathseba, den David heimtückisch umbringen ließ, wird nicht wieder lebendig. Und den gemeinsamen Sohn wird ein früher Tod dahinraffen.
Die Gründe für seinen Tod erscheinen mir dunkel und schwer nachvollziehbar. Schließlich ist das Baby derjenige, der für die Taten seiner Eltern am allerwenigsten kann.

Was soll dieser sinnlose Tod – der wahrscheinlich David und Bathseba schlimmer trifft als alles andere?
Ich habe da keine Antwort – aber eine, genauer gesagt zwei Beobachtungen gehen mir zu diesem schlimmen Ausgang der Geschichte nicht aus dem Kopf:

Das Erste: Auch wenn wir von Vergebung reden, die unsere Schuld vor Gott und Menschen aufheben kann. Oft genug müssen wir mit den Folgen unserer Fehler ein Leben lang umgehen.
Selbst wenn ich einen Menschen, der mir Böses getan hat, vergeben habe, wird uns beiden die Erinnerung an das Geschehene bleiben – und manchmal bleibt da auch noch mehr als nur Erinnerung.
Vergebung kann Schuld tilgen, aber macht die Folgen unseres Handelns nicht automatisch rückgängig.

Das Zweite: Wenn wir Fehler machen, sind es oft andere, nämlich Kinder, die die Folgen tragen.  Obs der Vater ist der sich nach fünf Bier nicht mehr unter Kontrolle hat.
Die Eltern, denen es nicht gelingt, ihre Ehe wieder zu kitten, und sich hinfort nur noch über Anwälte austauschen.
Oder unsere Weltwirtschaft, die nicht danach fragt, ob in 40 Jahren noch genügend Rohstoffe und nicht zuviel Gift auf unserem Globus zu finden sind.

Die Kinder sind leider oft die, die unsere Fehler tragen müssen

 

Das Drama um David und Bathseba lehrt mir:
Gott gibt uns Menschen zwei Dinge, mit denen wir in einem Leben, das nicht immer einfach ist, umgehen müssen:
Verantwortung und Vergebung.

Amen

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.