Predigt: Dem Evangelium seine Sprache geben Pfingstsonntag (Apg 2, 1-18) 23. Mai 2010

Undpfingsten10 es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,  und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist

[1] Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. [2] Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. [3] Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, [4] und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. [5] Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. [6] Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. [7] Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? [8] Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? [9] Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, [10] Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, [11] Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.

[12] Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? [13] Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein. [14] Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen! [15] Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; [16] sondern das ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5): [17] »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; [18] und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.

SCHAWUOT

Wir schreiben das Jahr 30 unserer Zeitrechnung. Das Städtchen Jerusalem befindet sich im Ausnahmezustand: Tausende von Auswärtigen sind gekommen, um das Pentekoste – das Schawuot zu feiern. 50 Tage nach Passa kommen Juden aus aller Welt hierher um dieses Erntefest zu feiern. Ein prächtiges Spektakel, das auch viele Gäste aus fremden Ländern anzieht.
Perser vom Ufer des Tigris flanieren elegant gekleidet über die Basare Jerusalems. Können sich hie und da mit einigen Brocken ihrer persischen Sprache verständlich machen – da zur gleiches semitischen Sprachfamilie gehört, wie das Aramäisch der Jerusalemer Bevölkerung.
Schwerer tun sich die Gäste aus Ägypten, sie müssen sich mit Händen und Füßen verständigen – oder hoffen, dass zufällig jemand in der Nähe ist, der beide Sprachen beherrscht.
Buchstäblich verlassen waren die Elamiter, ihre Sprache war mit keiner anderen Sprache des Orients verwandt. Sie behalfen sich mit den Bruchstücken an Babylonisch, die sie im Laufe ihres Lebens aufgeschnappt hatten. So blieben die Elamiter unter sich – als seltsam anmutendes Häufchen von Leuten, deren Sprache für alle anderen nur ein seltsames Gurgeln bedeutete. Aber auch sie genossen die Feiern, die Farben und Gerüche dieses Außergewöhnlichen Festes der Juden, auch wenn sie vieles nicht verstanden.
Man feierte die Weizenernte und zugleich die Verkündung der 10 Gebote durch Mose. So spielte sich auch vieles im Bereich des Tempels ab aber auch auf den Straßen waren die Menschen am Feiern, am Singen, am Beten und Reden.

Liebe Gemeinde,
in dieser Situation ereignet sich das, was wird als Pfingstwunder bezeichnen:
Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,  und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.

Die Sache mit den Sprachen fasziniert mich besonders. Das Brausen vom Himmel, leuchtende Flammen, das kann ich mir irgendwie vorstellen. Aber dass hier 11 Jünger (der Judas war ja nicht mehr dabei) plötzlich in vielen Sprachen reden konnten …
Vielleicht waren sie ungebildeten Fischer sprachlich gar nicht so schlecht aufgestellt, wie wir gemeinhin denken. Neben ihrer Aramäischen Muttersprache konnten sie sich vielleicht auch mit ein paar lateinischen und griechischen Vokabeln über Wasser halten. Wer seine Petersfischchen an die Römischen Soldaten verkaufen will, sollte schon ein paar lateinische Floskeln parat haben und den Preis korrekt nennen können. Und mit griechisch konnte man bei den Geschäftsleuten aus dem Mittelmeerraum punkten.
Aber Hetitisch? Arabisch? Persisch, Sidetisch?

Das Sprachenwunder ist auch eines. Ich kann mit nicht erklären, wie das gehen soll, dass Menschen unterschiedlichster Sprachen diese Jünger plötzlich verstehen. Und selbst wenn ich es als unerklärliches Wunder akzeptiere, frage ich mich irgendwie immer noch, wie das wohl zugegangen sein könnte. Hat jeder der Jünger nun in einer oder zwei anderen Sprachen sprechen können, oder war es vielleicht so, dass das Wunder erst im Kopf jedes einzelnen Zuhörers passierte, und dort die Worte der Jünger übersetzt wurden; wie mit einem himmlischen Simultanübersetzer.
Aber so sind eben Wunder: Sie entziehen sich unseren Erklärungsmodelle, und wir können nur wahrnnehmen, dass etwas geschieht, was unser Verstehen übersteigt.

Evangelium in der Muttersprache

Denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe , sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache.
Wer fern der Heimat im Ausland ist, nicht in den deutschsprachigen Hotelanlagen, sondern da, wo es wirklich alles anders ist – der weiß, wie schön es ist, wenn man plötzlich vertraute Klänge hört. Da stehst du in einem griechischen Dorf abseits der Touristenrouten und möchtest in dem kleinen Kafenion außer dem Tässchen Kaffe noch ein Stücken Kuchen – aber der nette alte Herr versteht weder „Kuchen” noch „Cake” noch kann er deine Gesten richtig deuten. Und plötzlich kommt aus der Küche sein Enkel, der in Deutschland lebt und beim Opa in den Ferien ist: „ah, Gäste aus Deutschland, schön dass ihr euch hierher verirrt habt. Sagt, was wollt ihr …” Und dann erfährst du, dass es in Opas Kafenion keinen Kuchen gibt, er aber wirklich leckere Käse-Pitas macht – „da schmeißt du jeden Käsekuchen dagegen weg.”

Einer, der dir übersetzt, was hier in der Fremde los ist.
Jemand, der dir in Worten, die du verstehst, eine fremde Welt erklärt.
Einer, der dich ein Stück weit hineinführt in das Unbekannte und dir hilft, dich zurechtzufinden.
So jemand ist wichtig – im Alltag und in Glaubensfragen

Denn auch unser Glaube ist für viele Menschen und immer wieder fremdsprachiges Ausland. Eine Welt mit Begriffen, Vorstellungen und Handlungsweisen, die übersetzt werden müssen.- Obwohl wir ja alle deutsch sprechen -.
Wie verrückt muss es gewesen sein, als die Menschen zu Zeiten der Reformation in der Mehrheit kein Latein beherrschten. Aber die Bibel war auf Latein – und eine Übersetzung ist deutsche weit und breit nicht zu sehen. Die Priester; die Kirche hatte die Deutungshoheit über das, was darin stand. Aber meist sprach man im Gottesdienst sowieso Latein – keiner verstand es, aber alle machten mit. Verrückte Welt.

Erst mit Martin Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche veränderte sich die Situation – Plötzlich tauchte da einer auf, der unsere Sprache verwendete, um Dinge des Glaubens zu verdeutlichen. „Man muss den Leuten aufs Maul schauen” war sein Motto, und so brachte seine Übersetzung eine Bewegung in Gang, die die Kirchenlandschaft komplett reformierte. Endlich verstehe ich worum es geht , weil in meiner Sprache gesprochen wird – erst jetzt kommt der Glaube in meine eigene Welt. Endlich kann ich etwas damit anfangen.

Übersetzung brauchen wir auch heute

Liebe Gemeinde,
heute ist die Situation immer noch die gleiche. Wenn jemand eine fremde Sprache spricht, verstehe ich nichts. Ich bin aus Übersetzung angewiesen. Das Evangelium, die Botschaft des Glaubens braucht auch heute eine Übersetzung.  Und da meine ich jetzt nicht die Übersetzung in irgendwelche exotische Sprachen. Wir benötigen die Übersetzung des Glaubens in die vielen Sprachen, die wir heute sprechen. Die Sprache der Bibel ist für viele Menschen eine Fremdsprache – auch wenns eigentlich „deutsch” ist. Das sind Worte aus einer fremden Zeit, mit einer Vorstellungswelt, von der wir uns schon lange verabschiedet haben.
Das, worum es im Glauben geht, muss immer wieder übersetzt werden.
In die Sprache den intellektuellen Bildungsbürgers.
In die Gedankenwelt eines Jugendlichen.
In die Befindlichkeit eines alten und kranken Menschen.
In den Horizont eines Menschen, sich von Hartz4 ernähren muss.
In die Welt eines Bauern oder Handwerkers.

Das ist kein einfacher Job. Denn jede Übersetzung eines Sachverhalts birgt auch das Risiko, dass man den Inhalt nicht mehr genauso darstellen kann, wie es eigentlich ursprünglich war. Wie soll das nur gutgehen?
Naja, vielleicht so, wie damals beim Pfingstwunder. Da können wir uns ja auch nicht vorstellen, wie das klappen kann, aber es hat dann wunderbarer Weise doch funktioniert. Das ist das, was wir als Wirken des Geistes Gottes verstehen. Der Geist Gottes, der Menschen in Bewegung versetzt; der sie dazu fähig macht, Glauben zu leben und Glauben weiterzugehen und zu übersetzen.

Und das ist, liebe Gemeinde nicht allein die Aufgabe der Pfarrerinnen und Pfarrer: Schon Petrus hat in dieser Pfingstpredigt den Propheten Joel zitiert: »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.

Söhne, Töchter, die Alten, die Jungen, die Knechte und die Meister…
Wir alle haben einen Auftrag, das, was uns an Glauben geschenkt ist, weiterzutragen. Schon wenn man seinen Sohn, der Präparand ist, eine Frage über Gott beantworten will, ist man als Übersetzer gefragt. Und wenn der Arbeitskollege fragt: Sag mal, meinst du, dass Gott des will, dass da des Flugzeug abstürzt? – dann geht sie los, die Übersetzungsarbeit; der knifflige Job, seinen Glauben ins Leben zu übersetzen.
Aber haben Sie nur Mut: Pfingsten heißt: Gott lässt uns beim Übersetzen des Glaubens nicht allein.

Amen

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