Predigt: Im Buswartehäuschen an SEINER breiten Straße (Jes 40, 1-8) 16. Dezember 2012, 3. Advent

Awartehaueschendventspredigt zu Jesaja 40, 1-8: Wenn Menschen auf Gottes Ankunft warten

Predigttext:
Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden.
3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!
4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden;
5 denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat’s geredet.


6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.
7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk!
8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.

 

Drei Gestalten sitzen im Buswartehäuschen. Das Häuschen hat auch schon  bessere Zeiten gesehen. Die Bretter, aus denen es zusammengenagelt ist, sind verwittert, an den Enden ausgefranst. Überall stecken verrostete Reißzwecken im Holz – sie zeugen davon dass man hier früher oft Werbeplakate befestigt hat. Aber das ist schon lange her.
Die drei sitzen auf der langen Bank des Wartehäuschens. Vornübergebeugt, die Ellbogen auf den Oberschenkel, die Hände aneinander gelegt.
Hinter ihnen an der Rückwand ein vergilbtes Plastikschild: „Wartehäuschen zum …” steht da, mehr nicht, denn der Rest des Schildes fehlt; vielleicht haben es ein paar Lausbuben abgebrochen. Man weiß es nicht.
So sitzen die drei nebeneinander – und warten.
„Lange wirds ja nicht mehr dauern. Die Straße ist ja frei.” sagt der eine, der wohl Mitte dreißig sein dürfte. „Wenn ich noch länger warten muss, sind meine Zigaretten bald alle”.
Gequält lacht sein Nebenmann auf: „Ha! Deine Sorgen möchte ich haben. Zigaretten! Ich wär froh, wenn ich endlich mal wieder gescheit durchatmen könnte. Einfach so, frei atmen, ohne Schmerzen.” Er richtet sich ein bisschen auf. „Aber das Warten auf die Spenderlunge macht nicht nur den Körper kaputt, und dabei tippt er sich an die Stirn. Da oben, das macht was mit einem, wenn man so lange hier herumhockt … und wartet. Auf eine neue Lunge, – oder auf IHN!” Und sehnsüchtig sieht er die lange gerade, breite Straße hinauf. „Wenn ER denn wirklich irgendwann kommt”.
„Natürlich kommt ER!” fährt die Frau, die neben ihm sitzt, dazwischen. „Der muss kommen. Das geht gar nicht anders. Schließlich sagen doch alle, das ER kommen wird – irgendwann, und dann … ja dann … ” sie sucht nach den passenden Worten. Dabei funkeln ihre Augen, die ganz tief in ihren Höhlen sitzen. Und man erkennt, dass ein zuversichtliches Lächeln über ihr zerfurchtes Gesicht geht – ein Gesicht, dem man ansieht, dass dieses Gesicht in ihren vielen Lebensjahren nicht allzuoft Grund gehabt hat, zu Lachen. „dann … naja, dann werdet ihr das schon sehen! Jedenfalls kommt ER ganz bestimmt, sonst wäre die ganze Warterei ja umsonst gewesen.
Der Jüngste der drei hat sich inzwischen seine vorletzte Zigarette aus der Schachtel geangelt und dreht sie unschlüssig zwischen seinen Fingern hin und her. „Aber ich wüsste schon gerne, was da genau auf mich zukommt – wenn ER denn hier mal tatsächlich langkommt.”

Liebe Gemeinde,

warten auf den, der da kommen soll, ohne genau zu wissen, wann und wie und womit er kommt. Was uns der Prophet in Jesaja Kapitel 40 vor Augen malt, ist eigentlich ganz anders als unsere aktuelle adventliche Stimmung:
Denn wir wissen ja genau, was und wer auf uns zukommt:
In 8 Tagen kommt das Jesuskind in der Krippe, die Geschenke, das Feiern. Heil, Segen, Ruhe, Besinnlichkeit. Unser Weihnachtsfest ist vom Termin her absolut verlässlich, und auch unsere Erwartungen sind klar definiert. Da haben wir ja auch ziemlich viel Übung darin.
Aber in unserem Predigttext sieht das ganz anders aus: Von einer ebenen Bahn für IHN ist die Rede, eine breite Straße, für die sogar Berge erniedrigt und Täler erhöht worden sind. Da geht es nicht um Kleinigkeiten, ER, dieser Gott, hat Gewaltiges, Großartiges vor. Da soll Gottes Herrlichkeit sichtbar werden. Für jeden – da gibt es keinen Zweifel.

Aber da, wo Jesaja beschreiben soll, was denn da kommen wird, zerbröseln ihm buchstäblich die Worte auf der Zunge: „Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.  Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt”. Jesaja hat keine passenden Worte, keine aussagekräftigen Bilder, die das beschreiben können, was da Gott mit uns vorhat. Es ist zu groß, es überschreitet die Dimensionen von Zeit und Raum, die wir kennen. – Es ist eine letztlich eine Kapitulation vor dem was unsagbar bleibt.

Schon ein bisschen enttäuschend: Wenn der große Prophet Jesaja mit großer Geste das Kommen Gottes ankündigt, davon spricht, das da etwas unglaublich wunderbares und nie dagewesenes ist. Aber wenn man genauer nachfragt, muss er eingestehen: Gott hat ihm zwar wissen lassen, dass er kommt, aber was das bedeutet, worin das Umwerfende besteht, darüber hat er nichts verraten.
Wen wundert es, wenn ich als ganz einfacher Pfarrer da schon kapitulieren muss, wenn man mich löchert und fragt: Was kommt da genau, wenn wir von Gottes Reich reden. Was wird Gott anstellen, wenn er in unserer Welt etwas verändert. Oder auch: Wie wird es mal aussehen, wenn ich gestorben und im Himmel bin?

 

Liebe Gemeinde,
der Blick auf diesen Bibeltext lehrt mich zwei Dinge; genauer gesagt: Zwei innere Haltungen: Hoffnung und Demut!

„Hoffnung”: Ich sehe vor meinen Augen diese große breite Straße, auf der ER kommen wird. Jesaja lässt keinen Zweifel daran, dass Gott sein Volk besuchen wird, dass er uns als Menschheit nicht alleine lässt.
An Weihnachten feiern wir die Ankunft Jesu als Sohn Gottes – und auch er hat angekündigt Das Reich Gottes wird kommen! Mit ihm hat es angefangen.

Aber oft genug sitze ich auch da neben den dreien im Wartehäuschen und grüble: Wann wird denn mal was draus? Die Straße ist doch frei. Er wäre genügend Platz da, dass Gott mit einem atemberaubenden Auftritt diese Welt besucht, Reich Gottes anbrechen lässt – so dass jeder erkennt, dass er der ist, der diese Welt in Händen hält. Dass dem letzten Unbelehrbaren die Kinnlade herunterfällt, dass er sagen muss: Mein Gott – dich gibts ja wirklich.
Darauf zu warten heißt Hoffnung: Zu Erwarten, dass da etwas von Gott kommt.
Aber dann sehe ich diese Straße hoch, und da kommt nix. Und während ich warte, schnappe ich mir die Zeitung, die in unserem Wartehäuschen herumliegt, und dann graust es mir schon bei den Schlagzeilen der ersten Seiten:
Wieder ein Amoklauf in einer Schule, der mit das Schaudern lehrt.
Klimakatastrophe
Börsenwahnsinn, der Menschen und Staaten in den Ruin treibt
Menschliche Tragödien … und dann der alltägliche Kummer vor und hinter der eigenen Haustüre
Aber Moment: Jetzt bin ich ja schon wieder bei meinen Bildern, wie „Reich Gottes” auszusehen hat. Und dabei habe ich doch eben festgestellt: Meine Vorstellungen sind nicht mehr als verdorrtes Gras.

Und damit bin ich bei der zweiten Haltung – der „Demut.”
Ich muss akzeptieren lernen, dass Gottes Kommen anders aussehen kann, als ich es mir gerade mit meinen Wünschen ausmale. Gott hat da andere Wege und andere Dimensionen:

Jesaja kündigt eine breite Straße der Herrlichkeit Gottes an. Was kam, war der beschwerliche Rückweg von Babylon nach Palästina und der mühsame Aufbau des Landes ihrer Väter und Großväter. Eine Zeit der harten Arbeit und Mühen. – Aber doch haben sie es letztlich als Rettung, Befreiung und als herrliche Tat Gottes erlebt.
Da wird ein Friedenskönig angekündigt, der Retter. Was kam, war ein kleines Baby in einem Stall; ein wunderwirkender Wanderprediger, einer, den sie gekreuzigt haben, der aber auch nach seinem Tod seinen Jüngern erschienen ist. – Aber doch haben sie erkannt, dass in ihm Gott Mensch geworden ist, dass er als Sohn Gottes unsere Schuld getragen hat.

Gott hat andere Wege und andere Dimensionen. Für uns als Christen besteht die Kunst darin, das Große von Gott zu erwarten – und zugleich nicht zu übersehen, dass das Große manchmal im Kleinen versteckt ist.

Inzwischen ist es voller geworden, in unserem kleinen alten Wartehäuschen.
Wir warten immer noch. Die Straße ist noch immer genauso breit – immer noch genauso atemberaubend groß dimensioniert, wie unsere Hoffnungen. Aber er hat sich etwas getan: Wir haben nicht nur auf SEINEN ganz großen Auftritt gewartet. Wir haben uns über den Maler gefreut, der da vorbeikam, und uns geholfen hat, die Holzbretter abzuschleifen und zu lackieren. Genauso waren wir froh und dankbar über die anderen, die vorbeikamen: Die Frau die mit einer Kanne Glühwein vorbeikam, der Mann, der den Abfall, den wir angesammelt hatten, in seinen Kofferraum lud. Der Sonnenschein, der am Nachmittag unser Gesicht erwärmte und unsere Stimmung aufhellte.
Waren es SEINE Vorboten?
War ER es selbst, der uns darin begegnete?

Wie Jesaja wissen wir, dass wir es nur vermuten können.
Aber wir sind dankbar, für alles, was da kommt – und wir geben das Warten und das Hoffen nicht auf.

Amen

Foto oben rechts: Wonnsche / pixelio.de

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